Schon ein Hexameter ist ein weiter Raum, der durchaus eine kleine Geschichte fasst; im Distichon verdoppelt sich dieser Raum beinahe, und spätestens zwei Distichen bieten dem Erzähler mehr als genug Platz! Ich versuche das an einem kleinen Doppel-Distichon zu zeigen, bei dem ich allerdings nicht genau weiß, ob es von Johann Heinrich Voss stammt oder von dessen Schwager Heinrich Christian Boie …
Die Zerstreuten
Zween tiefsinnige Freunde besprechen sich, Peter und Otto,
Und in Gedanken kratzt Otto den Peter am Arm.
Peter fragt in Gedanken: „Was kratzest Du?“ Kratzend erwidert
Otto: „Mir juckte der Arm.“ Peter versetzte: „Je so!“
Vielleicht keine überragend gute Geschichte (mir gefällt sie); aber eine Geschichte, mit Dialog und allem! Und sie zeigt auch schon, dass, wenn ein Text mehrere Distichen umfasst, das einzelne Distichon trotzdem als Einheit erhalten bleibt; denn so gut wie immer wird ein neuer Gedanke (was in der Regel meint: ein neuer Satz) in einem der Hexameter begonnen und in einem der Pentameter beschlossen. Der umgekehrte Fall – Beginn im Pentameter, Schluss im folgenden Hexameter – tritt so gut wie nie auf!
Ich schreibe noch schnell das gesamte Silbenbild hin; der nächste Text wird wieder ein wenig länger sein, ab da möchte ich es mir dann sparen beziehungsweise nur noch auf besondere Stellen eingehen!
X x / X x x / X x || x / X x x / X x x / X x
X x x / X x / X || X x x / X x x / X
X x / X x x / X x || x / X x x / X x x / X x
X x x / X x x / X || X x x / X x x / X
Zween tief- / sinnige / Freunde || be- / sprechen sich, / Peter und / Otto,
Und in Ge- / danken / kratzt || Otto den / Peter am / Arm.
Peter / fragt in Ge- / danken: || „Was / kratzest Du?“ / Kratzend er- / widert
Otto: „Mir / juckte der / Arm.“ || Peter ver- / setzte: „Je / so!“
Das einig etwas auffällige ist wohl das „Zween tief- / sinnige“ gleich am Anfang des ersten Verses?! Da steht die eigentlich schwächere Silbe „Zween“ auf einer Hebungsstelle, und die eigentlich stärkere Silbe „tief-“ auf einer Senkungsstelle. Am besten, man betont alle drei Silben im Vortrag gleich stark, eine Art „schwebender Betonung“?!
Inhaltlich wundert mich schon immer die Vergangenheitsform „versetzte“ des letzten Verses. Die könnte man ja auch einfach umgehen – „entgegnet“, oder ähnliches?