Wie in (45), so auch diesmal: Ein Beispiel für „Wie man aus nichts etwas macht“. August Kopisch wählt als Gegenstand Amor und als Vorgehensweise einmal den Gegensatz, einmal die Reihung; und schon schnurrt das Gedicht los und auf sein Ende zu, nur kurz abgebremst durch eine Frage, die verhindert, dass ein zu eintönigiger Eindruck entsteht; und unaufdringlich gestaltet und geformt vom reimlosen trochäischen Vierheber.
An Amor
Amor, sag, wie bist du Knabe
Anders stets und doch derselbe,
Traurig heut und morgen fröhlich,
Sinnend ernst, dann leicht hinflatternd,
Erst unleidlich, dann behaglich,
Bald vertraut, bald wieder fremde,
Neckend und dann sanft und schmachtend,
Stark und wieder ganz ermattet,
Lautaufjauchzend, tot und düster,
Dumm und klug, und falsch und ehrlich –
Bist du Alles denn und Jedes,
Wunderbarer, lieblicher Knabe?
Ach, du lächelst, Schöner, Holder,
Während aus den Augen Tränen
Süßer Schmerzen niederfallen!
Wer mag, versuche derlei selber – aus einem kleinen Gedanken-Keim auf diese Weise ein ganzes Gedicht aufwachsen zu lassen, ist vergnügliches Tun; und wer immer mal wieder Verwendung für ein schnellgemachtes und doch vorzeigbares Gelegenheitsgedicht hat, kann auf diese Weise leicht zu einem solchen kommen.