Mit Versen erzählen!? (6)

Hat man die – in (5) vorgestellten – Spittlerschen Begriffe „Verstandeslogik“ und „Bildlogik“ erst einmal zur Kenntnis genommen samt ihrer Bedeutung für das Erzählen, fangen sie schnell an, ein Eigenleben zu führen und sich an alle möglichen anderen Inhalte anzuschließen. Zum Beispiel an den Anfang eines Briefes, den Schiller Ende 1797 an Goethe geschrieben hat, eben zu der Zeit, als er die Prosafassung seines „Wallenstein“ in Blankverse umgeschrieben hat:

 Ich habe noch nie so augenscheinlich mich überzeugt, als bei meinem jetzigen Geschäft, wie genau in der Poesie Stoff und Form, selbst äußere, zusammenhängen. Seitdem ich meine prosaische Sprache in eine poetisch-rhythmische verwandle, befinde ich mich unter einer ganz andern Gerichtsbarkeit als vorher; selbst viele Motive, die in der prosaischen Ausführung recht gut am Platz zu stehen schienen, kann ich jetzt nicht mehr brauchen; sie waren bloß gut für den gewöhnlichen Hausverstand, dessen Organ die Prosa zu sein scheint; aber der Vers fordert schlechterdings Beziehungen auf die Einbildungskraft, und so musste ich auch in mehreren meiner Motive poetischer werden.

Eine „ganz andere Gerichtsbarkeit“ also, und „Beziehungen auf die Einbildungskraft“, die „der Vers fordert“: Das ist von Spittelers Anmerkungen gar nicht so sehr weit weg?!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert