Die folgenden Verse sind ein kleiner Ausschnitt aus Eduard Mörikes längerem Knittel-Gedicht „Erzengel Michaels Feder“; die darin Vorgestellte ist taubstumm.
Einsmals schön Rahel saß allein
Beim Birkenwald am grünen Rain,
Dacht einem Traumgesichte nach,
Darin ihr Gott der Herr versprach,
Treu und wahrhaft, durch Engelsmund:
Sie sollte werden ganz gesund,
Wenn sie ihm täte dies und das –
Sie wusste leider nicht mehr was.
Hätt sie’s gewusst, sie könnt’s nicht sagen,
Müsst‘ es ewig bei sich selber tragen.
Das fiel ihr nun aufs Herz so schwer,
Dass sie seufzet laut und weinet sehr.
Da stehen die einzelnen Satzbestandteile oft wie zufällig im Vers? aber es klingt trotzdem immer richtig, immer sehr überzeugend: Mörike konnte das. Vom eigentlichen „Knittel-Klang“ ist dagegen gar nicht so viel zu hören, nur hier und da mal eine zusätzliche unbetonte Silbe, ohne die der Text in Reimpaaren aus iambischen Vierhebern geschrieben wäre; erst am Schluss, im drittletzten Vers (der auch, wie so oft im Knittel, auf zwei Weisen zum Vortrag gelangen kann) und im letzten Vers, wird die Bewegungslinie etwas unruhiger.