Der Vierheber ist auch für der Drama benutzt worden; ein Beispiel ist „Der Kaiser und die Hexe“ von Hugo von Hofmannsthal. Der Beginn dieses Stückes liest sich so:
Eine Lichtung inmitten der kaiserlichen Jagdwälder. Links eine Quelle. Rechts dichter Wald, ein Abhang, eine Höhle, deren Eingang Schlingpflanzen verhängen. Im Hintergrund das goldene Gitter des Fasanengeheges, dahinter ein Durchschlag, der hügelan führt.
Der Kaiser tritt auf, einen grünen, goldgestickten Mantel um,
den Jagdspieß in der Hand, den goldenen Reif im Haar.
Wohl, ich jage! Ja, ich jage …
Dort der Eber, aufgewühlt
Schaukelt noch das Unterholz,
Hier der Speer! Und hier der Jäger!
Er schaudert, lässt den Speer fallen.
Nein, ich bin das Wild, mich jagt es,
Hunde sind in meinem Rücken,
Ihre Zähne mir im Fleisch,
Mir im Hirn sind ihre Zähne.
Greift sich an den Kopf.
Hier ist einer, innen, einer,
Unaufhörlich, eine Wunde,
Wund vom immer gleichen Bild
Ihrer offnen, weißen Arme …
Und daneben, hart daneben,
Das Gefühl von ihrem Lachen,
Nicht der Klang, nur das Gefühl
Wie ein lautlos warmes Rieseln …
Blut? … Mein Blut ist voll von ihr!
Alles: Hirn, Herz, Augen, Ohren!
In der Luft, an allen Bäumen
Klebt ihr Glanz, ich muss ihn atmen.
Ich will los! Die Ohren hab‘ ich
Angefüllt mit Lärm der Hunde,
Meine Augen bohr‘ ich fest
In das Wild, ich will nichts spüren
Als das Keuchen, als das Flüchten
Dieser Rehe, dieser Vögel,
Und ein totenhafter Schlaf
Soll mir nachts mit Blei versiegeln
Diese Welt … doch innen, innen
Ist die Tür, die nichts verriegelt!
Keine Nacht mehr! Diese Nächte
Brechen, was die Tage schwuren.
Er rüttelt sich an der Brust.
Steh! Es wird ja keine kommen,
Sieben sind hinab, vorbei …
Sieben? Jetzt, nur jetzt nichts denken!
Alles schwindelnd, alles schwank,
Jagen und nur immer jagen,
Nur bis diese Sonne sank,
Diesen Taumel noch ertragen!
Trinken hier, doch nicht besinnen.
Die Hexe, jung und schön, in einem durchsichtigen Gewand,
mit offenem Haar, steht hinter ihm.
Nicht besinnen? Nicht auf mich?
Nicht auf uns? Nicht auf die Nächte?
Auf die Lippen nicht? Die Arme?
Auf mein Lachen, auf mein Haar?
Nicht besinnen auf was war?
Und auf was, einmal verloren,
Keine Reue wiederbringt …?
Der Kaiser
Heute, heute ist ein Ende!
Ich will dir’s entgegenschrein:
Sieben Jahre war ich dein,
War ein Kind, als es begann,
End‘ es nun, da ich ein Mann!
…
Zu sehen, zu vernehmen ist der Kaiser Porphyrogenitus bei dem Versuch, sich von der Hexe, der er verfallen ist, loszureißen; und das, es ist nicht zu überhören, fällt ihm sehr schwer. Dementsprechend haben die Verse auch etwas zerrissenes, gehetztes!?
Am bemerkenswertesten ist sicher, wie die weitestgehend ungereimten trochäischen Vierheber immer einmal wieder in den Reim „hinüberkippen“ – erst ein Kreuzreim des Kaisers, dann ein Paarreim der Hexe, dann ein doppelter Paarreim des Kaisers -, ohne dass dies groß auffällt in der ohnehin sehr wohlklingenden Sprache der Verse. Einen Unterschied gibt es aber doch:
Die Reim-Verse schließen überwiegend betont, während in den längeren ungereimten Abschnitten zwar immer mal wieder ein betont schließender Vers auftaucht, aber eigentlich kaum häufiger, als es in Vierheber-Texten üblich ist!
Einige Ausdrücke klingen mir etwas schräg – „mit Lärm der Hunde“, „Nicht besinnen auf was war“ … Aber das hat seinen eigenen Reiz?!
Insgesamt ein schöner Text, meinem Ohr nach.