Erzählverse: Der Hexameter (124)

Die Ilias-Übersetzung von Johann Heinrich Voß ist mir noch immer die liebste. Nicht durchgängig, und nicht an allen Stellen; aber über den gesamten Text gesehen ganz sicher. Im fünften Gesang, 855-863, begegnet Diomedes dem Gott Ares, kann ihn aber mit gleichfalls göttlicher Hilfe von Athene verwunden – Ares wirft die Lanze, Athene wehrt sie ab, Diomedes wirft im Gegenzug, Athene lenkt die Lanze ins Ziel:

 

Jetzo erhub sich auch jener, der Rufer im Streit Diomedes,
Mit erzblinkender Lanz, und es drängte sie Pallas Athene
Gegen die Weiche des Bauchs, wo die eherne Binde sich anschloss;
Dorthin traf und zerriss ihm die schöne Haut Diomedes,
Zog dann die Lanze zurück. Da brüllte der eherne Ares,
Wie wenn zugleich neuntausend daherschrien, ja zehntausend
Rüstige Männer im Streit, zu schrecklichem Kampf sich begegnend.
Rings nun erbebte das Volk der Troer umher und Achaier,
Voll von Angst; so brüllte der rastlos wütende Ares.

 

Rudolf Alexander Schröder hat viel später 859-861 so übersetzt (zu finden in der Suhrkamp-Ausgabe von 1952, Seite 133):

 

Gleich aber zog er ihn wieder heraus. – Der eherne Ares
Schrie, Neuntausenden gleich, Zehntausenden, wenn sie mit Schlachtruf
Gegeneinander zum Streit aufstehn, vom Ares befeuert.

 

„Ihn“ – Schröder hat „Speer“, nicht „Lanze“ wie Voß. Nun weiß ich nicht wirklich, welche Fassung im Sinne einer gelungenen Homer-Übersetzung die bessere ist; Aber das „Schrie“ in den neuen Vers zu ziehen, hat einige Wirkung (das ein Wortfuß aus einer Einzellänge hier sehr auffällt, wusste aber auch Voß schon!), und die beiden  — — ◡ ◡, sprich: die beiden „Ioniker a maiore“ „Neuntausenden“, der noch ein wenig verundeutlicht durch das „gleich“, und, reinen Klangs: „Zehntausenden“ klingen sehr beeindruckend!

An dieser Stelle also: Vorteil Schröder! Für den gesamten Ausschnitt gilt aber, was für die ganze Ilias gilt: Voß macht es besser.

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