Erzählverse: Der trochäische Fünfheber (11)

Als Paul Heyse „Die Brüder“ schrieb, war er knapp über Zwanzig. Sein Vers hatte aber trotzdem schon eine große Selbstverständlichkeit, wie ein kurzer Ausschnitt zeigt – der Sohn des Königs ist mit seiner Braut heimgekehrt, und eben soll die Vermählung stattfinden;

 

Da erklingt ein Schritt, die Pforten schüttern,
Und der König kommt hereingeschritten,
Fest und langsam, Purpur auf den Wangen,
Hat den Blick so herrisch aufgeschlagen,
Dass im Saal sich alle Wimpern senken.
Und sie stehn und harren, dass er rede.
Doch er schweigt, in sein Gemüt verloren,
Und den Sohn mit keinem Worte grüßend
Prüft er mit dem Falkenblick die Taube.
Lange sinnt er; dann zum Tisch gewendet
Schenkt er bis zum Rande voll den Becher,
Draus der Bräutigam dem Mädchen vortrinkt,
Und – er selber setzt ihn an die Lippen,
Und er selber trinkt, und nach dem Trunke
Wie ein Sieger in die Runde blickend
Reicht er den Pokal der Braut des Sohnes.

 

Meint: Der Vater spannt dem Sohn die Braut aus. Warum er solches tut, kann man in der Verserzählung selbst nachlesen; hier geht es nur um die sichere Art, mit der Heyse den trochäischen Fünfheber handhabt – der bewegt sich gut, und er hat Fülle und Kraft!

Später hat Heyse noch eine inhaltlich verwandte Geschichte geschrieben „König und Prieser“; auch die nutzt den trochäischen Fünfheber, und auch die ist lesenswert.

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