Wie bewegt sich die Sprache in einem Prosa-Text, wie in einem Vers-Text? Gut zu vergleichen ist das in Texten, die zuerst in Prosa geschrieben wurden, um anschließend „versifiziert“ zu werden! Ein Beispiel dafür gibt Friedrich Hebbel, in dessen Tagebüchern sich diese geistreiche Frage findet:
Wenn man montags grüne Blätter zu sich nimmt, dienstags Essig und mittwochs Öl: kann man dann Donnerstag sagen, man habe Salat gegessen?
Später hat Hebbel diese Frage in ein Distichon umgewandelt, das sich schließlich in seinen gesammelten Werken wiederfindet und so liest:
Rätsel
Montags verzehrt er die Blätter, und dienstags trinkt er den Essig,
Mittwochs genießt er das Öl; sagt mir nun, aß er Salat?
Die Prosa-Fassung, keine Frage: liest sich gut. In der Versfassung sind die drei Glieder der Aufzählung auf die ersten drei Halbverse verteilt, was sicher nachdrücklicher wirkt; dafür musste das eigentlich sehr wirkungsvoll eingesetzte „Donnerstag“ weichen, für das es im letzten Halbvers keinen Platz mehr gab! Der Wechsel vom „Man“ zum „Er“ und die Anspreche des Lesers / der Leser ist wirkungsvoll; auf der anderen Seite kommt das „und“ vor dem zweiten Glied der Aufzählung zu stehen (da die zweite Hälfte des Hexameters unbetont einsetzen muss) statt, wie zu erwarten wäre, vor dem dritten (wo es aber nur störte, da der Pentamter betont einsetzen muss). Dann ist da noch das etwas blasse „zu sich nehmen“ der Prosa, das in der Vers-Fassung dem Dreiklang „verzehren – trinken – genießen“ gewichen ist; was wieder für die Versfassung spricht. Tja, schwierig; aber ich finde, die Versifikation ist Hebbel gelungen und schätze das Distichon aufgrund seiner Geschlossenheit und Nachdrücklichkeit höher ein als die Prosa-Fassung dieses hübschen Gedankens …