Eric A. Blackall: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700 – 1775.
Das klingt vielleicht nicht sehr spannend, doch dieser 1966 erschienene Band (J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung) breitet auf über 500 Seiten sehr viel Wissenswertes aus über eine entscheidene Zeit; und ist dabei auch gut zu lesen. Als Beispiel gebe ich den folgenden Abschnitt, der an eine Betrachtung der Prosa Lessings und Winkelmanns anschließt:
„Inzwischen war jedoch etwas völlig anderes in der deutschen Prosa am Werke, etwas Erregendes, das sich als höchst ansteckend erweisen sollte:
O du! Die du lieblicher bist, als der tauende Morgen, du mit den großen schwarzen Augen; schön wallet dein dunkles Haar unter dem Blumenkranz weg, und spielt mit den Winden. Lieblich ists, wenn deine roten Lippen zum Lachen sich öffnen, lieblicher noch, wenn sie zum Singen sich öffnen. Ich habe dich behorcht, Chloe! O ich habe dich behorcht! Da du an jenem Morgen beim Brunnen sangest, den die zwo Eichen beschatten; böse, dass die Vögel nicht schwiegen, böse, dass die Quelle rauschte, hab ich dich behorcht.
In dieser Sprache ist kein logisches Prinzip des Satzbaus mehr erkennbar. Klang und Rhythmus sind die beherrschenden Faktoren. Verknüpfung geschieht durch Klang, Form ist durch Rhythmus bedingt. (…) Die Stelle ist einer von Salomon Geßners Idyllen entnommen, die 1756 erschienen. (…) Diese Prosa zeigt eine sanfte Anlehnung an den Vers, worin vielleicht eine Missachtung der Prosa überhaupt mitschwingt, die theoretisch als ungerechtfertigt betrachtet werden kann. Doch historisch war sie von ungeheurer Bedeutung, denn in dieser stark rhythmisierten Prosa liegt der Grundstein für die Prosa des ‚Werther‘ und des ‚Hyperion‘ verborgen.“ (S. 285 – 287)
Aber Geßners Idyllen, das behaupte ich frech, haben durchaus auch einen Wert in sich; und keinen kleinen.