Schaut man sich nach Beispielen für die Brunnenstrophe um, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschrieben worden sind, ist Peter Rühmkorf einer der ersten Verdächtigen. In „Gedichte“, erschienen 2000 bei Rowohlt, findet sich zum Beispiel auf Seite 225 „Das für Dritte unverständliche Lied“, dessen Anfang so klingt:
Oh nudeldicke Dirne,
da mir mein Glück missriet:
Ich nestle an der Stirne,
wo Kummer Fäden zieht.
Wenn Lieb wie Höllenhefe
den Busen schwellen macht;
mein Vogel an der Schläfe
kläfft in die schöne Nacht.
Metrisch streng umgesetzt!? Ab der dritten Strophe mischen sich dann vierhebige Verse in die Strophen, die dadurch nicht mehr als „Brunnenstrophen“ vernehmbar werden; aber die ersten beiden Strophen sind schöne, wirkungsstarke Verse, die die der Srophe eigene Bewegung sehr deutlich hörbar machen, mit der meist vorhandenen Zweiteilung und allem.
(Der Herausgeber dieses ersten Bandes der Rühmkorf-Werkausgabe, Bernd Rauschenbach, weist in den Anmerkungen darauf hin, dass „nudeldicke Dirne“ ein Zitat ist aus dem Volkslied „Spannenlanger Hansel“.)
Es gibt noch andere Beispiele für die Verwendung der „Brunnenstrophe“ unter Rühmkorfs Gedichten, die alle hörens- und bedenkenswert sind! Wer Gelegenheit hat …