Erzählformen: Der Zweiheber (21)

Wieder eine neue Möglichkeit der Zweiheber-Gestaltung zeigt ein Gedicht Karl Krolows, das sich in seiner 1988 bei Suhrkamp erschienenen Gedichtsammlung „Als es soweit war“ findet:

 

Was war, was ist:
es bleibt die Frist,
die uns gesetzt.

Nicht eine Spur –
wir wissen nur,
was bis zuletzt

uns eigen war.
Doch Haut und Haar
erbleichen jetzt.

Es fällt noch Licht
auf ein Gesicht,
das Abschied netzt:

im Lächeln feucht.
Die Hand: sie scheucht,
was uns verletzt,

was fassungslos
uns macht und bloß
noch uns entsetzt.

 

– Ganz regelmäßige, zweihebige Iamben „x X / x X“, zu Strophen zusammengesetzt aus einem Reimpaar und einem dritten Vers, der mit allen anderen dritten Versen reimt! Nun übt schon ein einfacher Reim bei so kurzen Versen eine starke Wirkung aus; das sechsmalige Vorkommen desselben Reimlauts steigert diese Wirkung allerdings noch einmal um ein Beträchtliches! Wobei ja die Reimwörter noch einmal von außen nach innen geordnet sind: „gesetzt“ / „entsetzt“, „zuletzt“ / „verletzt“, in der Mitte schließlich „jetzt“ / „netzt“. Dass sich in diesen Rahmen noch ein tragfähiger Inhalt einfügen lässt, erstaunt schon und zeugt von der Gestaltungskraft des Verfassers?! Ein wenig gezwungen wirkt es zwar hier und da, aber …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert