Erzählverse: Der Hexameter (137)

Metrische Texte erscheinen oft langweilig. Häufig sind sie es auch; noch häufiger aber geben sie Gelegenheit, mit den Ohren eines anderen Menschen zu hören. Und das wiegt vieles auf!

Karl Philipp Moritz schreibt in seinem 1786 erschienenen, aber auch heute noch mit Gewinn lesbaren „Versuch einer deutschen Prosodie“:

„Alle die zweisilbigen Wörter, welche sich auf -bar, -haft, -heit, -lein, -sal, -sam, -schaft und -tum endigen, als fruchtbar, zaghaft, Kindheit, Büchlein, Trübsal, mühsam, Freundschaft, Reichtum, lassen sich besser zu Trochäen, als zu Daktylen brauchen; wenn sie zu Daktylen gebraucht werden, so muss die hinzugefügte kurze Silbe sich wenigstens mit einem Vokale anfangen, als: Reichtum und Ehre,  Freundschaft im Tode, — ◡ ◡ — ◡; Wahrheit zu lehren hingegen würde äußerst hart klingen.

Ebendies gilt nun auch von den zusammengesetzten Wörtern, die den Akzent auf der ersten Silbe haben, als Unmut, Trostgrund, Aufruhr, welche sich auch besser zu Trochäen, als zu Daktylen brauchen lassen; wenn sie aber zu Daktylen gebraucht werden, wenigstens immer eine kurze Silbe, die mit einem Vokal anhebt, nach sich erfordern, als: Unmut und Klage, Trostgrund im Tode, Aufruhr im Innern, — ◡ ◡ — ◡; in Trostgrund des Weisen würde Trostgrund des ein schlechterdings unerträglich harter Daktylus sein.“

Das ist eine Unterscheidung, die genauer hinhört, als es gemeinhin der Fall ist! Ich werde von nun an darauf achten, wie die einzelnen Verfasser das handhaben, rechne aber (zumindest unter den Klassikern) mit einer geringen Ausbeute; denn die Hexametristen, die so genau unterscheiden, würden ein Wort wie „Trostgrund“ ohnehin nicht in einen Daktylus nehmen; und die, die es tun, halten sich mit so feinen Unterscheidungen, ob die folgende Silbe  mit Konsonant oder Vokal beginnt, ganz bestimmt nicht auf … Aber wer weiß! Die Spur ist gelegt; ich werde ihr folgen.

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