Hermann Patsch: Alle Menschen sind Künstler. Friedrich Schleiermachers poetische Versuche.
Die Sammlung der Dichtversuche Schleiermachers erschließt der deutschen Literatur keinen neuen Dichter, aber sie fügt dem Bild des bedeutenden Theologen, Philosophen und Philologen eine bisher weitgehend unbekannte Facette hinzu, die (zugleich) typisch für die romantische Bewegung ist. Sie nimmt den Autor dort ernst, wo er sein Scheitern erprobt und erlebt; einen Autor, der sich dieses Scheitern eingestand und der dennoch – vielleicht gerade deshalb – der Dichtungstheorie, wie seine Vorlesungen über Ethik und Ästhetik zeigen, nicht den Abschied gab.
– So Patsch in der Einleitung (genauer: auf Seite 3) dieses 1986 bei deGruyter erscheinenen Bandes. Kann ein solcher 250 Seiten langer Nachweis eines „Scheiterns“ lesenswert sein? Er kann es, er ist es; auch, weil auf so großem Raum Platz ist für viele über Schleiermacher hinausgehende Bezüge in seine Zeit hinein und ihre Dichtung. Der eigentliche Kern aber ist tatsächlich Schleiermachers Scheitern als Dichter – in einem Brief an Henriette Herz schrieb er diesen schonungslos offenen Satz:
Verse werde ich wohl machen lernen, aber keine Poesie.
Und so kam es … Wobei manches gelungene zu finden ist unter Schleiermachers Versen, dieses Distichon zum Beispiel:
Schöpfung
„Lass uns ein Bild nun schaffen, uns gleich“, sprach Gott zu der Erde;
Darum ist irdischer Gott, göttliche Erde der Mensch.