Erzählformen: Das Distichon (31)

In „letzte Liebe“ führt Novalis (wie sich Friedrich von Hardenberg ja nannte) einen Vergleich über zwei Distichen aus – sinnvollerweise (das Distichon ist meist nicht nur eine metrische, sondern auch eine Sinn-Einheit!) enthält jedes eine Hälfte des Vergleichs:

 

Wie aus dem Schlummer die Mutter den Liebling weckt mit dem Kusse,
Wie er zuerst sie sieht und sich verständigt an ihr:
Also die Liebe mit mir – durch sie erfuhr ich die Welt erst,
Fand mich selber und ward, was man als Liebender wird.

 

Ein wenig haltlos, das alles – es sind doch einige Hebungen mit sehr schwachen Silben besetzt, und in den ersten Hexameter eine Zäsur zu legen, um ihn zu verlangsamen, ist nicht ganz einfach. Trotzdem ein gelungenes Distichonpaar, schein mir; es ist auch eine frische Leichtigkeit spürbar, ohne dass die Nachdrücklichkeit des Gedankens darüber verloren geht. Und es gibt Ausdrücke zu bestaunen, die heute nicht mehr recht üblich sind: „Sich an jemandem verständigen“. Sehr anziehend!

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