Ewald von Kleists „Hymnus“ klingt, wie es die Gattung verlangt: hymnisch berauscht. Ungewöhnlicher ist die gewählte Form!
x X / x X / x X / x X / x X
x X / x X / x X
x X / x X / x X / x X / x X
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– Eine vierzeilige Strophe aus zwei Verspaaren, deren jedes aus einem ungereimten iambischen Fünf- und einem iambischen Dreiheber besteht. Das klingt dann so bei Kleist:
Lobt den gewaltigen, den gnädgen Herrn,
Ihr Lichter seiner Burg,
Ihr Sonnenheere! Flammt zu seinem Ruhm!
Ihr Erden, singt sein Lob!
Erhebet ihn, ihr Meere! Braust sein Lob!
Ihr Flüsse, rauschet es!
Es neige sich der Zedern hohes Haupt
Und jeder Wald für ihn!
Ihr Löwen, brüllt zu seiner Ehr‘ im Hain!
Singt ihm, ihr Vögel! Singt!
Seid sein Altar, ihr Felsen, die er traf,
Eu’r Dampf sei Weihrauch ihm!
– Das klingt zwar dem heutigen Ohr ein wenig ungewohnt; aber es weiß zu überzeugen?! Die Probe darauf ist wie immer der Vortrag, und der zeigt: Hier ist Kraft und Schwung, ganz wie es der Inhalt fordert! Wie Kleist das erreicht – da ist ein genauerer Blick auf das Verhältnis von Satz und Vers nötig; aber den kann der (dichtungsbewegte) Mensch ohne weiteres leisten, wie auch Kleist bestätigt, der von ihm im „Hymnus“ singt:
Dich hat er, mehr als alles sonst, beglückt.
Er gab dir einen Geist,
Der durch den Bau des Ganzen dringt und kennt
Die Räder der Natur.
Inwieweit der menschliche Geist beglückt – nun ja; aber durchdringen kann er, vieles, und nicht zuletzt den Bau eines Strophen-Ganzen …