Erzählformen: Das Distichon (32)

Alles verwandelt sich; nichts stirbt. In schöner Verwandlung
Wird die Hoffnung Genuss und das Verlor’ne Gewinn.

 

– Ein Distichon von Johann Gottfried Herder, das er mit fünf anderen Einzeldistichen zusammengefasst hat unter der Überschrift „Grabschriften“, was auf die Art, wie der Leser den Inhalt wahrnimmt, sicher einigen Einfluss hat?!

Mir scheint dieses Distichon aber auch bezüglich der Form seines Hexameters bemerkenswert:

Alles ver- / wandelt / sich; nichts / stirbt. || In / schöner Ver- / wandlung

— ◡ ◡ / — ◡ / — — / — || ◡ / — ◡ ◡ / — ◡

Das „sich“ ist Hebung, und um diese an sich schwache Silbe zur Geltung zu bringen, muss der Vortragende rechtzeitig abbremsen, um den nötigen Raum, die nötige Zeit zu haben; das „nichts“ und das „stirbt“ dürfen dann, wenn auch viel gewichtiger, nicht allzu sehr gegenüber dem „sich“ hervorgehoben werden. Dadurch, und durch die beiden tiefen Satzeinschnitte, bekommt dieser Hexameter in seiner Mitte einen Punkt tiefer Ruhe, auf den seine Bewegung hinführt, und von dem aus sie wieder Fahrt aufnimmt.

Ein fein gestalteter Vers!

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