Ein Übersetzungsvergleich

Aristophanes‘ letzte Komödie war der 388 vor Christus aufgeführte „Plutos“, darin es um Besitz und Reichtum geht. Fünf „Aristophanische Verse“ dieses Stücks (also im wesentlichen weiblich schließende anapästische Siebenheber) lauten in der deutschen Übersetzung, die Emanuel Lindemann 1832 veröffentlicht hat, so:

 

Denn so wie jetzt beschaffen ist die Lebensweise der Menschen,
Wer sollte wohl nicht für Wahnsinn es halten, ja mehr noch als Unglück vom Dämon?
Denn viele Menschen, die böse sind, genießen dennoch die Schätze,
Die sie mit Unrecht zu sammengehäuft; dagegen der Rechtlichen viele
Sind unglücklich stets in Dürftigkeit, mit dir sind sie meistens zusammen.

 

– Das „dir“ des Schlussverses ist die leibhaftig anwesende Penia, die (griechische) Göttin der Armut. Wie aber klingen diese Verse? Nun: Lahm. Einmal, weil sie den schwungvoll-drängenden anapästischen Grundrhythmus vernachlässigen, dann aber auch aufgrund der vielen unsinnlichen Begriffe.

Dass es auch anders geht, zeigt die 15 Jahre jüngere Übersetzung von Ludwig Seeger:

 

Denn ein Leben wie das, das die Sterblichen jetzt, die Unglücklichen führen, – wir kennen’s! –
Wem kommt es nicht vor wie verkehrt und verdreht, ja wahrhaftig, die pure Verrücktheit?
Nichtswürdige Schurken, und ihrer sind viel, die besitzen die Fülle des Reichtums,
Unehrlicherweise zusammengescharrt! Doch viele der redlichsten Männer
Sind im Elend und nagen am Hungertuch und verkehren mit dir nur, o Armut!

 

Nun weiß ich nicht, was die beiden Ausschnitte in Hinblick auf die Genauigkeit der Übersetzung leisten; als deutsche Verse genommen sind Seegers „Aristophanische Verse“ aber um Welten besser! Schwungvoller, zum einen; und zum anderen sind die „nichtswürdigen Schurken“ unendlich viel farbiger und eindringlicher als die „Menschen, die böse sind“. Selbiges gilt für „am Hungertuch nagen“ im Vergleich zu „in Dürftigkeit sein“!

Um auch einen Vers in seinem metrischen Bau vorzuführen – hier der letzte:

Sind im E– / lend und na– / gen am Hun– / gertuch || und verkeh– / ren mit dir / nur, o Ar– / mut!

◡ ◡ — / ◡ ◡ — / ◡ ◡ — / ◡ — || ◡ ◡ — / ◡ ◡ — / ◡ ◡ — / —

(Inhaltlich zeigt sich einmal mehr, dass sich in den letzten 2500 Jahren nichts wesentliches geändert hat …)

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