Erzählverse: Der Blankvers (83)

Heinrich Heines Blankverse haben, wie die eines jeden „großen“ Dichters,  einen eigenen Ton, wie zum Beispiel „Morphine“ gut zeigt:

 

Groß ist die Ähnlichkeit der beiden schönen
Jünglingsgestalten, ob der eine gleich
Viel blässer als der andre, auch viel strenger,
Fast möcht ich sagen viel vornehmer aussieht
Als jener andre, welcher mich vertraulich
In seine Arme schloss – wie lieblich sanft
War dann sein Lächeln und sein Blick wie selig!
Dann mocht‘ es wohl gescheh’n, dass seines Hauptes
Mohnblumenkranz auch meine Stirn berührte
Und seltsam duftend allen Schmerz verscheuchte
Aus meiner Seel‘ – doch solche Linderung,
Sie dauert kurze Zeit; genesen gänzlich
Kann ich nur dann, wenn seine Fackel senkt
Der andre Bruder, der so ernst und bleich. –
Gut ist der Schlaf, der Tod ist besser – freilich
Das beste wäre, nie geboren sein.

 

Erstaunlich auch, dass der Text in den ersten beiden Versen gar nicht auf die „eigentliche“ Blankvers-Linie einschwenkt, sondern in beiden Fällen mit einer versetzen Betonung beginnt?!

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