Erzählformen: Das Distichon (69)

In Anton Wildgans‘ „Der Hufschmied“ hält ein mit Fichtenstämmen beladener Wagen vor eine Schmiede, die ihn ziehenden „wuchtigen Braunen“

 

Warfen die Häupter klirrend im messigfunkelnden Kummet,
Peitschten die Fliegen von sich, scharrten und stampfen den Grund.
Doch da nahte der Meister mit Eisen und Werkzeug, der Fuhrmann
Hob nun dem Hengste das Bein, legte den Huf sich aufs Knie.
Rasch mit dem Messer zuerst gereinigt, geschnitten, geebnet
Wurde das mächtige Horn, knirschend flog weißlicher Span.
Jetzt mit der Zange ergriff der Meister das glühende Eisen,
Presste dem Hufe es an, rauchend zischte es auf.
Doch da entriss sich der Gaul unbändigen Ruckes, beinahe
Wären Fuhrmann und Schmied unter die Räder gestürzt.
Aber sie duldeten nicht die Laune des störrischen Tieres,
Und mit gelenkiger Kraft wurde es wieder bezähmt.
Klingend traf nun der Hammer die Nägel, es stoben die Funken,
Und das Eisen saß fest, und das Werk war getan.

 

Das sind, aus mancherlei Gründen, keine wirklich guten Distichen; zu wenig Fluss, zu leblos, und die fehlenden leichten Silben in vielen zweiten Pentameter-Hälften sind sicher eine Schwächung. Trotzdem hat das Beharren auf der reinen Vorgangsschilderung einen nicht geringen Reiz; was das Gedicht dadurch gewinnt, wird erst später klar, als das die Szene beobachtende „Ich“ das Gesehene zu einem Vergleich zwischen „Menschheit“ und „Tierheit“ nutzt. Daraus zwei Distichen:

 

Und es finden sich Brave und finden sich tüchtige Meister,
Und bisweilen gelingt’s, dass sie ein Stückchen des Wegs
Weiterhelfen der keuchenden, lahmenden, blutenden Menschheit
Nur aus liebender Pflicht, achtlos der eignen Gefahr.

 

Hm. Die Achtlosligkeit der Hexameter-Zäsur gegenüber teilt Wildgans mit anderen Verfassern des 20. Jahrhunderts; das macht die Verse aber nicht besser. Und inhaltlich ziehe ich die eigentliche Beschlagung allemal vor …

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