Erzählformen: Das Distichon (75)

Die Elegien von Karl Isidor Beck sind keine besonders guten Gedichte. Wenn man sich mit dem Distichon beschäftigt, lohnt die Beschäftigung mit ihnen aber doch, weil sie einen ganz eigenen Ton haben und durchhalten, dem auf den Grund zu gehen einiges über die Wirkungsweise des Verspaares offenbart! Eine kurze Probe:

 

Bleibe der Minne gedenk, ach, erster geheiligter Minne,
Ihrer beständig gedenk, selber in eherner Zeit,
Sieh, du weckst im Gemüt dir alte, olympische Träume,
Rufst ein entthrontes Geschlecht herrlicher Götter zurück:
Amor fährt mit dem Taubengespann an, Flora begrüßt ihn,
Immer und ewig verstehn Blumen und Liebe sich gut;
Luna hat seiner geharrt, viel Heimliches gibt’s zu bereden,
Nächte verwachen, genehm war es den beiden von je;
Dichtend im Kreis der gefeierten Neun weilt Phöbus Apollo,
Seinen erflossenen Vers hauchen die Grazien an.
Jung war jeder im Leben, und fremd blieb keinem die Liebe,
Einmal schaute den Gott jeder im Leben gewiss,
Griff in die Saiten und sang! O keinen erhabenen Meister
Hat er beflissen gehört, keine der Regeln gekannt,
Seinem im Freien erwachsenen Lied ward nimmer ein Preisreis,
Aber im Innersten echt war das vergessene doch!
Bleibe der Jugend gedenk, wenngleich karglockigen Scheitels,
Inniger Minne gedenk selbst in raufender Zeit,
Rufst dem verlassenen Olymp hochedle Dynasten zurücke,
Lebst mit der Leier im Arm, unter den Göttern ein Gott!

 

Was fällt auf? Beck hat wenig Scheu vor Gleichklängen, die eigentlich stören, weil sie von der Versbewegung ablenken: „Taubengespann an“, oder gar „Preisreis“! Er hat deutlich häufiger  als der Durchschnitt Zweisilber vor dem Pentameter-Einschnitt und am Pentameter-Schluss; es gibt einige eher seltene Wörter zu bestaunen, wie „erfließen“; und „zurück“ oder „zurücke“, je nachdem ob es einen Penta- oder einen Hexameter schließt, sind ihm gänzlich gleichwertig. „Verlassene Olymp“ scheint eine dreisilbige Senkung zu sein, aber da hat vielleicht auch nur der Drucker das Apostroph vergessen …

Davon abgesehen ist der Text: Schwungvoll. Auch hochtrabend und ein wenig angeberisch, sicher; aber eben auch auf eine ziemlich anziehende Weise schwungvoll!

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