Erzählverse: Der Hexameter (166)

Mich treibt immer noch die „Ausführliche teutsche Sprachlehre“ von Friedrich Schmitthenner um – siehe (165)! Da findet sich auch folgende Regel:

Gleiche Wortfüße nacheinander müssen möglichst vermieden werden, weil sonst leicht neben dem durch das Metrum gebotenen Rhythmus noch ein anderer sich gestaltet, der jenen übertönt, zum Beispiel

Schroffe Gestade des Meeres, die Wogen gewaltig erbrausten.

Einer der unschönen, durch fünf amphybrachische Wortfüße, sprich: Sinneinheiten „gelähmten“ Hexameter! Woher er stammt, wird nicht angegeben, und sucht man im Netz, findet er sich auch nicht; oder besser, er findet sich, aber in einem anderen Werk Schmitthenners, und auch da ohne Quelle …

Ursprachlehre. Entwurf zu einem System der Grammatik mit besonderer Rücksicht auf die Sprache des indisch-teutschen Stammes: das Sanskrit, das Persische, die peasgischen, slavischen und teutschen Sprachen.

So heißt dieses Werk, und in ihm liest man:

Die Wortfüße dürfen nicht so gewählt und geordnet werden, dass neben dem durch das Metrum gebotenen Rhythmus noch ein anderer her läuft, weil sonst die Einheit der Form unkenntlich wird, wie zum Beispiel folgender Vers …

Schroffe Gestade des Meeres, die Wogen gewaltig erbrausten,

amphybrachisch aus seinem Metrum heraushüpft.

Hm. Ich bin mit der Begründung nicht ganz einverstanden, kann aber noch nicht den Finger darauf legen … Aber auch andere Metriker geben die Empfehlung, im Hexameter keinen Wortfuß mehr als zweimal hintereinander zu gebrauchen, und der Blick in die Texte zeigt, da ist wirklich etwas dran. Es lohnt sich also, beim eigenen Schreiben ein wenig darauf zu achten!

Zum Schluss noch ein anderer Vers, der die ziemlich häufig „schroffen“ „Gestade“ enthält, nur so zum Vergleich – aus dem fünften Gesang der Odyssee, in der Übersetzung von Voß:

 

Graunvoll donnerte dort an dem schroffen Gestade die hohe,
Fürchterlich strudelnde Brandung, und weithin spritzte der Meerschaum.

 

Da hüpft dann nichts aus dem Metrum, schon gar nicht amphybrachisch, ein Wortfuß, gegen den Voß bekanntlich eine tiefe Abneigung besaß …

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