Johann Gottfried Herders ungereimte Gedichte reizen mich deutlich stärker als seine gereimten. In „Der Himmel“ schließt er ein Paar von ungereimten trochäischen Vierhebern mit einem ebensolchen Dreiheber ab, und die so gewonnene Strophe nutzt er dreimal:
Dünste steigen auf und werden
In den Wolken Blitz und Donner
Oder Regentropfen.
Dünste steigen auf und werden
In dem Haupte Zorn und Unmut,
Oder werden Tränen.
Freund, bewahre Deinen Himmel
Vor dem Dunst der Leidenschaften!
Deine Stirn sei Sonne!
Inhaltlich gefällig, aber nicht weltbewegend, obwohl „Deine Stirn sei Sonne!“ sehr schön zeigt, wie gut ein kräftiger, klarer Schlussvers einem Gedicht tut; in der Form aber ein guter Vergleichspunkt zu der in (70) vorgeführten, kanzonenähnlichen Gestaltung mit ihren gleichfalls dreiversigen Stollen! Man sieht, auch der nicht-gereihte ungereimte trochäische Vierheber lässt viel Raum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten …