Friedrich Maurer, Hein Rupp (Hrsg.): Deutsche Wortgeschichte (2)
Dieser zweite Band der Deutschen Wortgeschichte deckt den Zeitraum „Vom Barock bis zur Gegenwart“ ab, meint bis 1974, als die neubearbeitete 3. Auflage bei de Gruyter erschienen ist. Seine 700 Seiten enthalten Unmengen an Wissenswertem – nicht nur, welchen Zeiten aufgrund welcher Vorstellungen welche Wörter wichtig waren, sondern auch, wie sich Vorstellungen und Wörter bei den einzelnen Verfassern verwirklicht haben. Dazu schärft sich der Blick für die unzähligen Bedeutungsveränderungen, die viele Wörter zum Beispiel seit Goethes Zeiten erfahren haben und ohne deren Kenntnis die Texte des „Dichterfürsten“ an manchen Stellen missverständlich sind; und auch über das Zustandekommen manch seltsamer Wortbildung wird der Leser unterrichtet. So schreibt Friedrich Kainz zum Beispiel in „Klassik und Romantik“ (S. 291-292):
Schillers Reifen zum Klassiker ist gleichfalls durch das Aufgeben der Spracheigentümlichkeiten der Geniezeit und des Sturms und Drangs – vorab der burschikosen, unflätig-zynischen Kraftwörter -gekennzeichnet, ferner durch bewusste Abkehr von schwäbischen Mundartausdrücken, dann aber auch durch Verbesserung derselben mit Hilfe hyperkorrekter (hyperhochdeutscher) Formen, wofür das auch bei Hölderlin zu findende „zernichten“ („vernichten“) und das gleichfalls bei Uhland anzutreffende „zerschieden“ („verschieden“) bekannte Beispiele sind. (…) Wenn der junge Schiller sowie sein Landsmann Uhland von „zerschiedenen Szenen“, „zerschiedenen Eigenschaften“, „zerschiedenen Edelsteinen“ sprechen, so geht das auf den Umstand zurück, dass in ihrer Mundart die Vorsilbe „zer-“ fehlt und durch „ver-“ ersetzt wird (Kleider werden „verrisse“, Töpfe „verschlage“), ebenso ist das „bezauberte Schloss“ in Schillers „Geisterseher“ eine hyperkorrekte Überkompensation seiner schwäbischen Unsicherheit in Bezug auf die Vorsilbe „ver-„; dennoch ist nicht jedes „zer-“ bei Schiller die Verschlimmbesserung eines schwäbischen „ver-„, sondern im Sinne einer perfektivierend-intensivierenden Ausdruckssteigerung direkt erstrebtes Wirkungsmittel: so etwa, wenn sich in „Wallensteins Tod“, einem Werk der Reifezeit Schillers, das Verb „zergrämen“ findet.
Aha! Das muss einem Nicht- Schwaben ja auch erst einmal jemand erklären …
Der größte Genuss und Gewinn liegt aber in den umfangreichen Beispiellisten, aus denen schöne, kluge, und durchaus heute noch brauchbare Wörter in großer Menge sich dem Leser bekanntmachen!