Erzählformen: Die Stanze (1)

Die unrsprünglich italienische Stanze ist im Deutschen verschiedenartig nachgebildet worden; als „Hauptform der deutschen Stanze“ gelten acht iambische Fünfheber mit dem Reimschema abababcc, wobei der zweite, vierte und sechste Vers männlich-betont, die anderen fünf Verse weiblich-unbetont schließen.  Das ist eine Strophe von einigem Raum, und wird in ihr erzählt, breitet sich das Erzählte gerne in vielen Einzelheiten vor dem Leser aus. Als Beispiel eine sich im Beschreiben verlierende Stanze aus dem ersten Gesang von Ernst Schulzes „Die bezauberte Rose“:

 

Dann nahte sich aus sanftgeteilten Wogen
Ein glattes Schiff dem blumenreichen Strand.
Wie lustig auch die seidnen Wimpel flogen,
Wie leicht die Luft das Segel auch gespannt,
Doch ward es sanft von Schwänen fortgezogen,
Um deren Hals ein goldner Zaum sich wand;
Aus Ebenholz erglänzten Mast und Stangen,
Von Elfenbein schien Bord und Kiel zu prangen.

 

Und nicht, dass es damit getan wäre;  die Beschreibung des Schiffes nimmt noch zwei weitere Strophen in Anspruch, bevor – nichts weiter geschieht, sondern weiter beschrieben wird, diesmal die auf dem Schiff sich befindende Fee Ianthe:

 

Ein schmaler Reif von hellen Diamanten
Umgab ihr Haupt mit zauberischem Licht,
Und leicht umfloss mit reichgestickten Kanten
Ein zarter Flor ihr blühndes Angesicht;
Allein den Strahl, den ihre Blicke sandten,
Verbürge selbst der Isis Schleier nicht;
Der eine Arm lag auf des Thrones Lehne,
Der andre hielt am goldnen Band die Schwäne.

 

Auch das braucht mehr als eine Stanze … Darauf muss man sich als Leser einlassen. Tut man es, merkt man allerdings schnell, dass das Fortschreiten in den vier Verspaaren – dem dreimaligen „ab“ und dem schließenden, oft etwas abgehobenen „cc“ – sich schnell einprägt und die Wahrnehmung viel stärker bestimmt als das eine oder andere eigentlich entbehrliche Adjektiv oder eine unnötig umfangreiche Aufzählung.

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