Erzählverse: Der iambische Trimeter (8)

Eduard Mörikes „An Longus“ ist ein recht bekannter Text. Länger auch; ich stelle hier aber nur das Ende ein.

 

Durch Buße kommt ein Arger wohl zum Himmelreich:
Doch kann der Sehrmann Buße tun? O nimmermehr!
Drum fürcht ich, wenn sein abgeschiedner Geist dereinst
Sich, frech genug, des Paradieses Pforte naht,
Der rosigen, wo, Wache haltend, hellgelockt
Ein Engel lehnet, hingesenkt ein träumend Ohr
Den ewgen Melodien, die im Innern sind:
Aufschaut der Wächter, misset ruhig die Gestalt
Von Kopf zu Fuß, die fragende, und schüttelt jetzt
Mit sanftem Ernst, mitleidig fast, das schöne Haupt,
Links deutend, ungern, mit der Hand, abwärts den Pfad.
Befremdet, ja beleidigt stellt mein Mann sich an,
Und zaudert noch; doch da er sieht, hier sei es Ernst,
Schwenkt er in höchster Sehrheit trotziglich, getrost
Sich ab und schwänzelt ungesäumt der Hölle zu.

 

Was ein „Sehrmann“ ist, darum kreist der gesamte Text; es ist hier aber gar nicht mal so wichtig. Es lohnt sich vielmehr, der Art nachzuspüren, wie Mörike den Satz durch die Verse leitet, so dass sich alles fügt und rund wirkt, ohne dabei an Lebendigkeit und Spannung zu verlieren. Wirklich großartig gemacht! Dazu gehört dann auch das gelegentliche Inanspruchnehmen einer der für den Trimeter kennzeichnenden „metrischen Lizenzen“ wie zum Beispiel dem „Aufschaut der Wächter“, wodurch dieses Aufschauen gerade deutlich wird! Auch hier:

Links deutend, ungern, mit der Hand, abwärts den Pfad.

Vom Metrum her betrachtet sieht der Vers so aus:

Links deu- / tend, un– / gern, mit / der Hand, / abwärts / den Pfad.

Aber so kann er sicher nicht gelesen werden! Im wirklichen Vortrag kommt viel deutlicher die Endgültigkeit der Entscheidung zu Gehör dadurch, dass der Vers viel schwerer klingt, als er es mit seinen sechs betonten Silben eigentlich sollte:

Links deutend, / ungern, / mit der Hand, / abwärts / den Pfad.

Dazu noch die Wanderung einer Betonung von dem „mit“ aufs „-gern“?! So jedenfall würde ich den Vers lesen wollen. Vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten; sicher aber ist, das Mörike hier sehr eindrückliche Verse gelungen sind!

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