Erzählverse: Der Hexameter (181)

Was der Hexameter nicht will, weil er es nicht kann: unanschaulich werden. Wie aber dann zum Beispiel Maße beschreiben? Friedrich Rückert findet in einer Epistel, die den Angeschriebenen auffordert, für das schreibende „Ich“ einen als Geschenk gedachten Spiegel zu kaufen, diese Lösung:

Also, wie breit und wie lang? So lang und so breit als genug ist,
Nicht für ein Prunkgemach, ein fürstliches, sondern ein stilles
Örtchen, wo er soll hangen, um keinerlei Ort zu beneiden.
Also nur eben so lang, dass, wenn das Mädchen hineinschaut,
Unter dem zierlichen Köpfchen der Hals auch noch und des Busens
Oberste Ränder sich zeigen, die schwellenden, ohne dass drüber
Über den Spiegel hinaus entrücket werde das Häubchen.
Und desgleichen so breit nur wenigstens, dass ich zu höchster
Not, wenn ich enge genug an die Schläf‘ ihr mich schmieg‘, in dem Glase
Ihrem Gesicht zur Seite mein eigenes kann mit den dunklen
Locken sehn, wie die Wolke, die schattende, neben der Sonne.

Man kann diese elf Verse noch auf manch andere Eigenschaft hin abklopfen, und mit Gewinn; aber die art, wie Rückert hier eben nicht „40x80cm“ schreibt, ist schon für sich ein helles Licht auf das, was den Hexameter ausmacht …

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