Die Bewegungsschule (12)

Jetzt geht es schon um „letzte Kleinigkeiten“; um zwei davon.

Die schwere Silbe eines tataTAM ist sein Mittelpunkt und nicht verhandelbar; bei den beiden leichten Silben sieht es, wie schon angeführt, anders aus. Möglich sind:

– Das Ersetzen der beiden leichten „ta“ durch ein „TAM“

– Das Erweitern des „tata“ zu einem „tatata“

– Das Verkürzen des „tata“ zu einem „ta“

– Das Ersetzen eines „ta“ durch eine Pause.

Die ersten drei Möglichkeiten sind schon angesprochen worden; die vierte soll hier kurz verhandelt werden. Sie verändert den Vers nicht grundlegend, ist aber eine nützliche Erweiterung.

Wenn zum Beispiel eine „Verkürzung“ sinnvoll erscheint, die grundlegende Einheit aber nicht zu leicht, zu flüchtig werden soll; dann kann die Stelle der fortfallenden leichten Silbe durch eine Sinnpause eingenommen werden, die dann dem verbleibenden zweisilbigen taTAM zu der Schwere eines dreisilbigen tataTAM verhilft.

 

Er bemerkte den Frosch; der starrte zurück.

 

Hier wird die Mittelzäsur durch eine längere Pause gebildet, die durch den recht tiefen Sinneinschnitt zustande kommt; und „Pause + ta + TAM“ ist ungefähr gleichzusetzen mit „ta + ta + TAM„.

Gut. Am Schluss noch einmal zurück an den Anfang: In Eins habe ich behauptet, dass die „TAM“ durch Sinnsilben besetzt werden sollten – Substantive, Adjektive, Verben, Adverben -, die „ta“ aber durch Bausilben – Vorsilben, Artikel, Pronomen, Hilfsverben … Das ist sicher der beste Weg, den Vers ausdrucksstark zu halten. Ein unbedingtes Muss ist aber auch diese Regelung nicht: Eine leichte Silbe kann durchaus einmal eine „TAM„-Stelle besetzen. Erst recht gilt das, wenn zum Beispiel ein Pronomen im Sinnzusammenhang hervorgehoben wird:

 

Hast nicht du ihn bemerkt, bist nicht du ihm gefolgt?!

 

Hier hat das doppelte „du“ genug Betonung, um als „TAM“ durchzugehen? Allerdings ist bei solchen Ausnahmen immer die Frage, für wen man den Vers fertigt. Kennen die Hörer und Leser den Vers, werden sie bei einer Einheit aus drei leichten Silben immer der dritten mehr Nachdruck und Dauer geben; kennen sie den Vers nicht, wird die gewählte Bewegungslinie nicht so klar erkennbar sein. Da dieser Vers selten ist, denke ich, die „TAM“ sollten so oft es geht mit Sinnsilben, die „ta“ mit Bausilben besetzt werden. Und wo das nicht der Fall ist, müssen die „Rahmensilben“ links und rechts der betreffenden Silbe verlässlich Auskunft geben darüber, wie diese Silbe zu behandeln ist!

Am Ende hilft auch hier nur: Versuchen, versuchen versuchen, dabei immer wieder hineinhören in den Vers und dann bewerten, ob die erzielte Wirkung dem Verhandelten gerecht wird oder eben nicht. Das dauert ein wenig, aber es geht ja auch darum, die eigenen Bewegungsvorstellungen nicht nur zu klären, sondern auch so aufeinander abzustimmen, dass sie erkennbar werden und vor allem überzeugen können. Das braucht etwas Zeit!

Das Königreich von Sede (36)

Als Schemel spät das Schloss erreicht,
Bleibt er am Graben stehen,
Lauscht, stutzt, lauscht wieder – ja, es streicht
Im nächtlich-kühlen Wehen
Ein sonderbar Geräusch vorbei:
Ein ausgebleichtes Flehen
Nach Ruhe, ein uralter Schrei,
Der Schemel lähmt. Er kämpft sich frei –
„Habt acht! Die Knochenfrösche!“

Erzählverse: Der Blankvers (26)

Die folgenden Verse stammen aus Friedrich Schillers Wallenstein-Prolog und sind allerdings weniger Erzähl- als vielmehr Erklär-Verse. Denn auch zu erklären vermag der Blankvers ohne Schwierigkeit, erst recht, wenn er von Schiller geschrieben wird, der dieses Geschäft hier, wie überall sonst: klar, eindringlich und nachdrücklich betreibt!

 

Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze;
Drum muss er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muss seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus.
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.

 

Alles ganz klar, sehr überzeugend; nur der Zeilensprung ganz am Ende fällt etwas aus der Reihe.