In Ferdinand von Saars „Die Kuh“ durchwandert das „Ich“ einen sonnigen Herbstmorgen, als die Idylle jäh unterbrochen wird:
Da hört‘ ich lauten Aufschrei – und gewahrte,
Wie eine Kuh aus nied’rem Koben brach –
Und hinterdrein, halbwüchsig kaum, ein Mädchen,
Das wie in Todesangst den Schweif des Tiers
Umklammert hielt, um es am Flieh’n zu hindern.
Zu schwach doch war der Ärmsten Kraft; geschleift
Auf steilem Abhang, ließ sie endlich los,
Dieweil Frau Blässe rasch mit tollen Sätzen
Feldeinwärts sprang. (…)
Das Mädchen wird vom eigentlichen Wächter aufs heftigste beschimpft; der Schluss der Tirade:
„Nun auf! Nun lauf und bring‘ sie mir zurück –
Wenn dir dein Leben lieb ist, Gottverfluchte!“
So schrie er wild und mit geballten Fäusten,
Nach Odem ringend, in ohnmächt’ger Wut.
Entzückend. Das „Ich“ ist ratlos, wird dann aber der Notwendigkeit einer Entscheidung enthoben!
Ich selber – ratlos stand ich; wusste nicht,
Sollt‘ ich den Mann begüt’gen, sollt‘ ich rasch
Statt jener armen Kleinen nach der Kuh
In Lauf mich setzen – als ich plötzlich sah,
Wie diese, gleichsam sich besinnend, anhielt,
Dann, leichthin tänzelnd, wie nur Kühe tänzeln,
Den Schweif gehoben, sich zur Heimkehr wandte
Und munt’ren Brüllens nach dem Koben lief,
Den Jammer endend, den sie wachgerufen …
Ich bin nicht sicher, ob das ein gutes Gedicht ist; aber die letzten fünf Verse haben mich doch sehr für den Text eingenommen! Da bewegt sich die Sprache so geschickt und anmutig, und die Vorstellung ist so klar vermittelt, dass man einfach ganz und gar aufgeht im Geschilderten!
(Wer noch auf ein anderes Beispiel für „die Kuh in der Verserzählung“ neugierig ist, kann bei Hexameter (33) vorbeischauen!)