Als das Königreich von Sede
Noch ein Traum war ferner Zeiten,
Den die waldbedeckten Gipfel
Hoher Berge träumten, schweigend;
Den die windbewegten Gräser
In den Steppen stimmlos riefen,
Den die Frösche in den Sümpfen
Alle Tage quakten, lauthals –
Damals, in der Frühzeit, lebten
Menschen, wild und ungebärdig,
Unter ihrem König, Sockel,
Der ein langes Leben hatte:
Hunderteinundzwanzig Jahre!
Und dann starb, wie Menschen sterben.
Hunderteinundzwanzig Jahre
Lebte auch des Königs Gattin,
Seiner Seele, seines Herzens
Unbeschränkte Herrscherin,
Lebte Königin Geländer,
Die, im selben Jahr geboren
Wie der König, auch im selben
Jahr vom Leben in den Tod ging:
Nur drei Tage nach dem Gatten.
Unbeschreiblich war die Trauer,
Die darauf das Volk erfasste,
Denn die beiden Toten hatten
Klug geherrscht, zum Wohle aller;
Und die Menschen klagten lauthals,
Weinten an der Toten Bahren –
Und besprachen unter Tränen
Sich und fassten einen Plan:
Erst begruben sie die Toten,
Dann, im Laufe vieler Jahre,
Bauten sie den schönsten Tempel,
Den die Welt jemals gesehen,
Über beiden Gräbern, schließlich
Kam das ganze Volk zusammen:
Und beschloss, von diesem Tag an
Sockel und Geländer, ihre
Vielgeliebten, toten Herrscher,
Als zwei Götter zu verehren!
Und als Zeichen und als Warnung
Allen, die noch Kenntnis hatten
Von der neuen Götter Fehler
(Hunderteinundzwanzig Jahre
Lebten sie und waren Menschen,
Und wie alle Menschen fehlbar):
Stand vor Sockel und Geländer,
Wie sie nun, aus Stein gehauen,
In des Tempels Hallen ragten,
Eines Frosches steinern Abbild,
Das mit aller Macht die Lippen
Fest zusammenpresste und die
Hand an diese Lippen legte,
Tiefes Schweigen so gebietend.
Denn, als Sockel und Geländer
Götter wurden, wurd Gesetz auch,
Dass, wer ihre Herkunft nannte,
In Erinnrung rief ihr Menschsein
Und an ihren Fehlern rührte:
Ohne Säumen sterben musste.
Und so stand des Frosches Abbild,
Und gebot, indem’s die Hand hielt
An die Lippen: Tiefes Schweigen.