Erzählverse: Der Blankvers (24)

Der folgende Blankvers-Text ist der erste Text aus Albin Zollingers „Leimbacher Zyklus“ namens „Lied aus der Nacht“ (geschrieben 1919). Das ist mal wieder so ein Gebilde, bei dem ich nicht weiß, ob ich’s gut oder schlecht finden soll … Aber das sind ja oft die spannendsten Texte.

 

Dichter.

Nachdem vom Schöpfer viele Daseinsbrot
Und Weisung für ein friedsam Leben hingenommen,
Trat eine Seele vor, die also sprach:
Bist du gewillt, o Herr, mich zu begnaden,
Lass mich nicht von den Herdenseelen sein.
Gib mir was sie nicht sehen zu erkennen,
Gib mir, zu lesen, was du uns bedeutest,
Gib mir den Zauber über Sternengärten
Und Macht, im Land der Wahrheit frei zu gehn.
Gib mir, der Blinden Heer hinauf zu führen,
Ihr Hirt zu sein, ihr Priester und dein Knecht.
Und gib der Helden Lohn, gib mir den Lorbeer,
Der Schwachen Hilferuf, demütgen Dank,
Der Großen Vorrecht gib, zwiefache Schönheit,
Zwiefache Liebe gib mir, zwiefach Glück,
Und Herr, erst voll zu sein und frei zu herrschen,
Lass mich ein Dichter sein, so du mich liebst!

Und als die Seele leuchtend so geendet,
Da lächelte der Herr und sprach: So geh!
Und reichte jener seine Hand und dankte
Und wandte sich mit nasser Wimper weg,
Lächelte wieder, da die Seele staunte,
Schalkhaften Barts, wehmütig und verträumt.
Du willst mir Helfer sein, verlangst nicht Frieden,
Getraust dich, an der Schöpfung mitzubaun –
Hab Dank, fürwahr, ich kann die Hilfe brauchen,
Jedoch, du siehst es blieb mir nichts für dich.
Ich schicke dich mit leeren Händen nieder,
Und arm, willst du mir gleichen, sollst du sein,
Durch Blindheit sehend und durch Irrtum weise,
Aus Demut in die Kraft, aus Fall zum Sieg,
Nach vieler Wüste wird dir Wind und Wasser,
Aus Dürre sprosst dir Baum und Blatt und Blust.
Zwiefache Schönheit, wohl! jedoch sie endet,
Willst du sie fassen, ach! wie Falterglanz!
Zwiefache Liebe schmeckt dir zwiefach bitter,
Gehäufte Wonnen abgrundtiefe Qual!
Und Menschenglück – o Sohn, sieh meiner Erde
Unstetesten und leichten Wendegeist!

Dies ferne Echo, niemals, wo dus suchtest,
Dies Bild im Wasser, das die Hand verscheucht.
Lass es dir sagen, du wirst leiden, leiden,
Nur dein Verlangen ist dein bestes Brot,
Nur deine Sehnsucht ist dir Schlummerkissen
Und deine Träume einzges Ufergrün.
Für deine Menschen wirst du Durst erdulden
Und Wunden tragen, die kein Lorbeer kühlt,
Du wirst wie andre, jedoch dreifach leiden,
Und dessen Sinn nicht sehn und nirgends Lohn.

 

Hm. Formal recht gewöhnliche Blankverse – gleich der zweite ist ein Sechsheber, sonst aber regelmäßige Fünfheber mit auch nur einer versetzen Hebung. Dem Satzbau zu folgen fällt mir da schon schwerer, und der Inhalt? „Wunschtraum und Wirklichkeit“?! Aber ich gebe zu, einige der Verse gefallen mir, und einen Text, in dem „schalkhaften Barts“ gelächelt wird, kann ich nicht nur schlecht finden – ein wunderbarer Ausdruck!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert