In einer seiner Satiren scheibt Horaz von einem Städtchen, „quod versu dicere non est“, in Wielands Übersetzung: „dessen Name nicht in mein Versmaß passt“. An solchen Unannehmlichkeiten hat sich nun in 2000 Jahren nicht viel geändert: Wenn man ein bestimmtes Versmaß wählt, dann stehen dem Schreiber durch diese Wahl bestimmte Wörter, Ausdrücke, Satzformen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.
Das ist bei dem in der Bewegungsschule vorgestellten Vers nicht anders. Allerdings macht sich der Umstand hier stärker als in anderen Maßen bemerkbar, da gerade eine Sorte Wörter, die im Deutschen häufig ist, nur schwer untergebracht werden kann: die TAMta – Regen, kichern, Nase, kräftig … In seiner bisherigen Form kann der Vers solche Wörter nur an zwei Stellen aufnehmen!
ta ta TAM ta ta TAM || ta ta TAM ta ta TAM
Und was für die Wörter gilt, gilt für die Sinneinheiten genauso: Die im Deutschen sehr häufigen Sinneinheiten der Form „ta TAM ta“ können in reiner Form im Augenblick gar nicht im Vers untergebracht werden, also gerade die Einheiten, in denen häufig TAMta stehen: es klingelt, der Ochse, ein Häuschen …
Die „nächstverwandte“ Sinneinheit ist das „ta ta TAM ta“, in den Garten, es ist Morgen, der uns tröstet; da finden dann die TAMta-Wörter Unterschlupf, und es wundert nicht, dass diese Art von Sinneinheit sich besonders gerne einfindet! Und mit ihr ein ganzer Halbvers, denn das „ta ta TAM ta“ muss ja notwendigerweise durch ein „ta TAM“ zum Halbvers ergänzt werden.
Das ist dann ein weiter Grund, warum diese in (7) angeführten Verse nicht wirklich gelungen sind:
Prinz Klappstuhl kommt an den Graben; er schweigt,
Und sein Schweigen verschmilzt mit der Frösche Gequak
Im zweiten, dritten und vierten Halbvers zieht sich die Bewegung auf das genannte, „bequeme“ Muster zurück!
ta ta TAM ta / ta TAM
mit einem der häufigen TAMta-Wörter, „Graben“, und der dazugehörigen taTAMta-Sinneinheit, „den Graben“ (aber eben ergänzt um noch ein „ta“, hier das „an“). Da zeigt sich gut, das war einer der ersten Verse, die ich in diesem Maß geschrieben habe … (Von dem Umstand, dass dreimal derselbe Halbvers nacheinander ertönt, ganz zu schweigen.)
In den folgenden Beiträgen wird die Tür für die „ta TAM ta“ einen Spalt weit aufgemacht werden; nicht viel, aber so, dass sie in Maßen verwendet werden können und das Schreiben erleichtern. Mehr wäre nicht gut, denke ich: denn eine kräftige, schöne Bewegung lebt ja einerseits davon, dass sie sich zumindestens ein Stück weit abhebt von dem, was im täglichen Leben zu hören ist; und zum anderen abwechslungsreich und anregend bleibt. Und das sind Eigenschaften, die man dem „ta TAM ta“ nun wirklich nicht zuschreiben kann.
Ich denke, jeder, der das hier vorgestellte Maß schon versucht hat, konnte den Druck spüren, der da auf die eigene Sprache ausgeübt wird: er „konnte nicht, wie er wollte“, der eigentlich naheliegende Ausdruck war nicht verwendbar! Das ist sicherlich lästig, es verlangsamt das Schreiben und zwingt dazu, andere Lösungen zu suchen für Dinge, die man eigentlich schon als fertig, als richtig empfindet; aber andererseits bekommt ein Schreibender gerade dadurch auch die Möglichkeit, die Dinge neu zu betrachten und sie auf eine Art zu sagen, die ihm sonst nie in den Sinn gekommen wäre!
Das finde ich sehr bereichernd, und das ist auch der Grund, warum ich gerade diesen Vers in der Bewegungsschule vorstelle – er verlangt in seiner endgültigen Form durchaus eine gewisse Achtsamkeit, soll er gelingen, mehr jedenfalls, als es ein alternierender Reimvers tut; andererseits ist er mit etwas Gewöhnung immer noch fließend zu schreiben, im Gegensatz etwa zum „Ioniker“, der ja gleichfalls im Verserzähler vorgestellt wird – wer in den entsprechenden Einträgen vorbeischaut, wird feststellen, dass dieser „Ioniker“ fast gänzlich unzugänglich für TAMta ist; und das Schreiben dadurch unglaublich schwer fällt.
Mit den Maßnahmen, die den TAMta-Gebrauch erleichtern, werden auch noch andere bis jetzt ausgeschlossene Wörter den Weg in den Vers finden können. Wer mag, kann sich ja mal überlegen, welche Wörter bisher noch „draußen bleiben müssen“?!