Eine letzte Veränderung des Verses bleibt zu besprechen. Eigentlich eher eine Ausnahme; aber je nach Handhabung können die Folgen für den Vers sehr beachtlich sein!
In (5) wurde das Ersetzen der beiden leichten Silben, der „ta ta“, durch eine schwächer betonte schwere Silbe besprochen, das „TAM“. Hier geht es nun darum, die Zahl der „ta“ (zwei) zu vergrößern oder zu verkleinern; und zwar jeweils um eins.
Zuerst zum „Vergrößern“, denn das ist der Fall, der deutlich weniger Folgen für den Vers hat. Ausnahmsweise ist es machbar, an beliebiger Stelle im Vers ein „ta ta“ zu einem „ta ta ta“ zu erweitern! Die einzige Bedingung dafür ist, dass dann alle drei „ta“ wirklich sehr leichte Silben sein müssen; und dass die davor und dahinter stehenden „TAM“ sehr schwer sein sollten, damit die eigentliche Bewegungslinie des Verses nicht verloren geht. Ein Beispiel:
Wen der herrliche Gesang nicht rührt, ist aus Stein!
ta ta TAM ta ta ta TAM || TAM TAM / ta ta TAM
Das liest sich ohne Schwierigkeit, und der Vers bleibt erkennbar?!
Nun zum „Verkleinern“. Dabei wird das „ta ta“ zu einem einzelnen „ta“ verkürzt; und das ist eine sehr, sehr verlockende Möglichkeit! Erlaubt sie doch die schon häufiger angesprochenen Sinneinheiten der Form „ta TAM ta“, die das Schreiben so viel einfacher machen – „das Feuer“, „im Hafen“, „er dachte“ … Allein der Druck, der dadurch vom Versanfang genommen wird, ist gewaltig!
Wird von dieser Möglichkeit sehr starker Gebrach gemacht, wandelt sich das Silbenbild des Verses:
(x) x X / (x) x X || (x) x X / (x) x X
Mit der üblichen Bedeutung: x = unbetonte Silbe, (x) = unbetonte Silbe, die stehen kann, aber nicht muss, X = betonte Silbe, || = Zäsur.
Dieser Vers ist auf seine eigene Art ein schöner und brauchbarer Vers; aber er unterscheidet sich stark von dem Vers, der bisher besprochen wurde in der „Bewegungsschule“! Der Grund liegt einmal in der Vernachlässigung des Silbengewichts, und dann auch darin, dass durch die vielen sich einfindenden „ta TAM ta“ die deutlichen Bewegungslinien blasser werden, unhörbarer; wodurch der Vers dann auch reimfähig wird, weil das Ohr nicht mehr den ganzen Vers „belauschen“ muss und will, und sich so dem Gleichklang am Versende zuwenden kann.
Solange der Vers aber als Beispielvers für die Möglichkeiten der Bewegung von Sinneinheit, Vers und Gedicht dient, möchte ich von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen!
Stattdessen sollte die Möglichkeit, „ta ta“ zu „ta“ zu verkürzen, sehr sparsam genutzt werden und vor allem dazu dienen, bisher noch nicht versfähigen Wörtern den Zugang zum Vers zu erlauben: ab jetzt sind auch Wörter der Form „TAM ta TAM“ dabei – „Feldsalat“, „Dosenbier“ -, und sogar die eigentlich gänzlich versfremden Wörter der Form „TAM ta TAM ta“, „Entengrütze“, lassen sich durch Inanspruchnahme gleich zweier Ausnahmeregelungen unterbringen, „Zäsurverschiebung“ und „Verkürzung“:
Ein das Lehrerzimmer erheiterndes Werk
ta ta TAM ta TAM ta || ta TAM ta ta TAM
– Wobei schon der zu betreibende Aufwand klarmacht, dass diese Wörter nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden können!
Geht es nicht um solche Wörter, sollte man der Versuchung, zu „verkürzen“, widerstehen. Sicherlich gibt es auch abseits der oben genannten Wörter noch Umstände, die zu einer Verkürzung führen können – feste Wendungen etwa:
hat er lang und breit den Kumpanen erzählt
ta ta TAM ta TAM || ta ta TAM ta ta TAM
– „lang und breit“. Dabei gilt, wie schon bei der „Erweiterung“: Die schweren, betonten Silben, die „TAM“ links und rechts des einzelnen „ta“ sollten sehr deutlich sein, damit keine Verwirrung über Bewegung und Bewegungslinie aufkommen kann.
Aber sonst: äußerste Zurückhaltung! Der Vers wird es danken durch einen lebendigen Eindruck und eine anziehende Bewegung.
So. Das war es wirklich … Ich werde aber noch mindestens eine Folge anhängen, die alles bisher vorgestellte zusammenfasst.