Der Trimeter kann viel. Er kann erzählen; er kann aber auch epigrammatisch gebraucht werden, wie zum Beispiel Friedrich Rückert zeigt in vielen seiner Einträge in die Liedertagebücher.
Ein junges Herz nimmt mit der ganzen Welt es auf;
Wie groß die Welt, wie klein ein Herz ist, weiß es nicht.
Ein gänzlich rundes, gänzlich geschlossen wirkendes Verspaar?! Diesen Inhalt hätte man sicher auch in ein klassisches Distichon gießen können, das mit Hexameter & Pentameter dem Eindruck der Reihung auch auf der Formseite entgegenwirkte; aber Rückerts Trimeter schaffen das alleine über den Inhalt.
Der höchst erfindungsreichen Zeit Erfindungen
Bezwecken eines, dass der Reichtum reicher sei;
Dass reich die Armut würde, wer erfände das!
Drei Verse, die ersten beiden durch einen Zeilensprung zu einer Einheit verbunden; dagegen abgesetzt der dritte, schließende Vers. (Der Inhalt ist heute so frisch wie zu Rückerts Zeiten; vielleicht frischer und drängender …)
Wir gehen eine Weil‘ auf unserm Grab umher,
In welchem andre liegen, die vergehn, damit
Uns werde Raum zu liegen, und wir legen uns
Ins Grab hinein, und andre gehn darauf umher.
WIederholungen, die allem Form geben, wodurch auch die Zeilensprünge nichts zerreißen; und zum Schluss die Wiederaufnahme des Schlusses des ersten Verses.
Der süße Mai hat dieses Jahr nicht seine Kraft,
In Wonnetraum ein Herz zu wiegen mit Gesang
Der Nachtigallen; denn inzwischen schreit die Not
Ums teure Brot. Was hilft der Apfelblüten Duft?
Drei lange lange Monde sinds zur Ernte noch.
Frage im vorletzten, Antwort im letzten Vers. Seltsam der Reim „Not-Brot“?! Auf jeden Fall gibt Rückert hier bedenkenswerte Beispiele, wie man auch aus lauter gleichen Versen schöne, geschlossen wirkende Epigramme bauen kann. Bei mehr als fünf Versen fehlt vielleicht schon die Knappheit, die ein solches Epigramm anziehend macht; aber auch die etwas längeren Trimeter-Texte Rückerts sind sehr lesenswert, wer die Zeit findet, sollte sie sich anschauen!