Die Bewegungsschule (22)

Im letzten Eintrag zur Bewegungsschule habe ich einen von Klopstock ersonnenen Vers vorgestellt. Klopstock war wirklich gut in dieser Hinsicht, seine eigenen Verse haben immer etwas besonderes an sich, das sie hörenswert macht. Aber aus den grundlegenden Bewegungsbausteinen einen Vers zusammensetzen – das kann eigentlich jeder!

Dieselben drei Grundeinheiten, die Klopstock verwendet hat, verwendet zum Beispiel auch der alte Vers, den ich heute kurz vorstellen möchte:

ta ta TAM / ta TAM / ta TAM TAM

Sprachliche Wirklichkeit kann dieser Vers sicher anhand dieser „Grundeinheiten“ gewinnen – dann, wenn sie auch „Sinneinheiten“ werden:

 

Wer den Stuhl nicht ehrt: der sitzt tief.

 

Ein eigener Übungsvers ( auch die folgenden Verse sind solche Übungsverse – den Inhalt also bitte nicht so wichtig nehmen …): Wer den Stuhl / nicht ehrt: / der sitzt tief.

Für gewöhnlich wird eine solche Übereinstimmung aber nur selten vorkommen?! In folgendem Vierzeiler ist es im dritten Vers der Fall, die anderen drei Verse haben eine andere Einteilung.

 

Was der Menschen Sinn umfasst hält,
Ist der Tod, das große Angst-Wort;
Das den Mann, die Frau, das Kind drückt
Und verstummen lässt; und klein macht.

 

Da klingt die Grundbewegung deutlich durch. Zu deutlich, vielleicht?! Viel Abwechslung lässt ein so kurzer Vers ja nicht zu. Man könnte ihn selbstredend mit einem anderen Vers verbinden zu einem Verspaar, was die Abwechslung mehrt:

ta ta TAM / ta TAM / ta TAM TAM
ta TAM TAM / ta TAM

– Ein noch kürzerer Vers, aus den Bestandteilen des ersten bestehend und damit diesem verwandt; aber doch neu und anders durch die unterschiedliche Anordung der Grundeinheiten. Das klingt dann ungefähr so:

 

Als des Königs Macht dahinschwand,
Sich auflöste, starb,
Und der Händler Stolz emporwuchs
(Es nährt Gold den Stolz):

 

Wer mag, kann ja von hier aus weiterdenken und -versuchen; und nach eigenen Lösungen für die Frage fahnden, wie denn das Gleichgewicht zwischen Wiederholung und Abwechslung sich gestalten kann, so dass der Vers immer als Einheit erfahrbar bleibt, aber auch das Ohr durch vierlfältige Wirkungen erfreut. Selbst mit nur den drei hier (und von Klopstock) verwendeten Einheiten lassen sich da noch viele, viele hörenswerte Verse ersinnen! Zu beachten ist eigentlich nur (ein letzter Übungsvers):

 

Das Gedicht bedarf des Wohlklangs.

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