Friedrich Hebbels „Mutter und Kind“
„Ein Gedicht in sieben Gesängen“, sagt der Untertitel; ein mittellanges Hexameter-Werk also.
Der Inhalt ist schnell erzählt: Christian, der nicht genug verdienen kann, um eine Familie zu gründen, will nach Amerika, um sein Glück zu machen und dann zurückzukehren; seine Magdalena ist entsetzt. Da kommt von dem erzwungen kinderlosen Kaufmannsehepaar, bei dem sie arbeitet, ein Angebot: Wenn Magdalena ihr Erstgeborenes den Kaufleuten überlässt, damit die es als ihr Kind ausgeben können, wird Christian als Verwalter eines Guts eingesetzt und die beiden können sofort heiraten.
Christian und Magdalene stimmen zu, doch als das Kind geboren wird, stellt sich heraus, dass Magdalena es nicht wird abgeben können. Christian besteht aber darauf, sein gegebenes Wort zu halten, und so flieht Magdalena mit dem Kind. Christian sucht und findet sie; er gibt nach, sie verlassen das zuvor noch versorgte Gut und verschwinden.
Was sie nicht wissen (im Gegensatz zum Leser): Der Kaufherr hat gleich zu Beginn beschlossen, Christian auch dann als Verwalter zu behalten, wenn die jungen Eltern das Kind doch nicht hergeben wollen. Er lässt nun nach den beiden suchen, doch als Christian und Magdalena das bemerken, glauben sie, man wolle ihnen das Kind abjagen, und verstecken sich nur noch besser. Doch schließlich löst sich alles zum Guten auf, und das Kind bleibt bei seinen Eltern.
Als Leseprobe einige Verse gleich vom Anfang, als es von Mägden und Knechten heißt, des Morgens:
Nun, man müsste sie loben, wofern sie sich rascher erhüben,
Aber wer könnte sie tadeln, dass sie sich noch einmal herumdrehn?
Eine hübsche Entgegenstellung … Grund für solches Verhalten ist: die Kälte! Die Handlung setzt zu Weihnachten ein, und da, sagen die nächsten zweieinhalb Verse,
Ist doch die Kälte zu groß! Der Fuß, dem die Decke entgleitet,
Schrickt zurück vor der Luft, als ob er in Wasser geriete,
Welches sich eben beeist
Man hört ganz gut, dass Hebbel hier einen sicheren, aber auch recht unspektakulären Hexameter schreibt. Vielleicht noch die Szene, wo Christian und Magdalena sich nach der Geburt ihres Kindes verschieden entscheiden – Christian:
„Nun, so wisse noch eins: Ich habe, solange ich lebe,
Nie mein Wort noch gebrochen und werde auch dieses nicht brechen,
Drum entwöhne ihn morgen, ich bring dir den Wermut noch einmal.“
Sie verstummt, denn sie hat noch nie so ernst ihn gesehen,
Und er schreitet hinaus, er sagt, die Kräuter zu pflücken,
Aber er tut es nur, um ihr den Kampf zu verhehlen,
Welchen er selber kämpft, und welcher die Seele ihm spaltet.
Sie hingegen umarmt und küsst den Knaben aufs neue,
Dass sie ihn fast erstickt, und ruft, als ob er’s verstände:
„Nein, ich lasse dich nicht, es möge kommen, was wolle!“
Der Nachteil solcher eher prosanaher Verse ist natürlich, dass man ab und an etwas Acht geben muss, um die Vers-Merkmale zu bemerken; in
Sie verstummt, denn sie hat noch nie so ernst ihn gesehen,
etwa in den ganzen Einsilbern die Zäsur zu finden, ist gar nicht so einfach.
Na ja. Ob man das ganze Werk heute noch lesen muss – ich weiß nicht, ich fürchte, der Geschmack hat sich da etwas gewandelt. Schlecht ist „Mutter und Kind“ aber sicher nicht. Ich verabschiede mich von Hebbels Zeilen mit einem weiteren Winterverweis – Christian, im Schneetreiben, knallt auf dem Wagen mit der Peitsche:
Und durch diese Bewegung die Kruste vom Leibe sich schüttelnd,
Wird er wieder zum Menschen; bis dahin war er ein Schneemann.
Uh. Hier ist zum Glück Sommer – auch wenn es sich stark abgekühlt hat.