Erzählverse: Der Blankvers (36)

Heute vor hundert Jahren, also am 10. Juli 1914, hat Alfred Lichtenstein dieses Gedicht geschrieben:

 

Doch kommt ein Krieg. Zu lange war schon Frieden.
Dann ist der Spaß vorbei. Trompeten kreischen
Dir tief ins Herz. Und alle Nächte brennen.
Du frierst in Zelten. Dir ist heiß. Du hungerst.
Ertrinkst. Zerknallst. Verblutest. Äcker röcheln.
Kirchtürme stürzen. Fernen sind in Flammen.
Die Winde zucken. Große Städte krachen.
Am Horizont steht der Kanonendonner.
Rings aus den Hügeln steigt ein weißer Dampf
Und dir zu Häupten platzen die Granaten.

 

– Ein Tonfall, wie er in den Gedichten dieser Zeit häufiger zu vernehmen ist?! Sehr kurze Sätze, die dem Vers nicht unbedingt gut tun, bis hin zu den Ein-Wort-Sätzen des fünften Verses, die man auch in Form einer Liste untereinander schreiben könnte statt in der äußeren Form eines Blankverses …

Aber inhaltlich lag Lichtenstein, der seit Oktober 1913 Soldat war, richtig: Keinen Monat später war der Krieg da; und war noch keine zwei Monate alt, als Lichtenstein sein Opfer wurde – er starb am 25. September 1914 in Frankreich.

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