Friedrich Gottlieb Klopstock. Gedanken über die Natur der Poesie.
Dichtungstheoretische Schriften, herausgegeben von Winfried Menninghaus;
Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1989.
Das ist, wenn man so will, der reine Klopstock; wodurch zu der Gewöhnungsbedürftigkeit seiner Gedanken auch noch die seiner Sprache kommt. Aber, wenn man ehrlich ist – nichts ersetzt den Blick auf die eigentlichen Aussagen; von daher …
Der Band ist aber auch bemerkenswert aufgrund dessen, was Winfried Menninghaus beiträgt – 90 erklärende Seiten des Titels Klopstocks Poetik der schnellen „Bewegung“. Da findet sich vieles erhellende, manchmal etwas verklausulierter beschrieben als nötig, aber immer lesbar. Zum Beispiel über die Bilderlosigkeit Klopstocks – etwas, über das nachzudenken auch die heutige, in großen Teilen in der „Bilderfalle“ festsitzenden Dichtung lohnend finden könnte:
Klopstocks Angriff und Distanzierungsarbeit gilt schlechthin der Selbstdefinition der Poesie durch jede Art vertikaler Verweisungsstruktur. Seine Sprache ist weder eine der Allegorie noch des Symbols, weder eine der Metapher noch der Metonymie, weder eine „uneigentliche“ noch eine „eigentliche“ – alle diese Lieblingsbegriffe der Literaturwissenschaft greifen bei ihm ins Leere, weil sie wesentlich, mit Saussure und Jakobson zu reden, an der paradigmatischen Achse von Zeichenketten orientiert sind. Die Klopstocksche Wortbewegung dagegen verlagert die Poetizität ganz auf die syntagmatische Achse, aus der räumlichen Vertikalen in die zeitliche Horizontale – eben in die Dominante von Metrum, Rhythmus und Grammatik. Diese Poesie des Syntagmas, der Horizontalen prägt ihre Dominante um so reiner aus, je weiter sie sich von Bildern jeder Art ferne hält.