Justus Friedrich Wilhelm Zachariäs „Murner in der Hölle“ (5)
Im fünften Gesang geschieht nicht mehr sonderlich viel. Rosaura nimm an Murners Grab Abschied:
Bei dem Grabe standen Rosaura, der Onkel, mit ihnen
Conrad, Lisette, nebst Herrmann, dem Jäger. Die holde Rosaura
Nahm zwei Hände voll Veilchen, und streute sie über das Grabmal
Ihres geliebten Cypers. Da nahm der Jäger sein Jagdhorn,
Wie der gehörnete Mond gestaltet, von männlichen Schultern,
Und fing an mit kläglichem Ton in die Haine zu blasen,
Wie nach Jägers Gebrauch der tote Hase beklagt wird.
Rosauras Wunsch nach einer Grabschrift dringt zum Küster des Dorfes, der gerade Unterricht gibt, die Schüler daraufhin aber sofort entlässt:
Wie die Herde geschwätziger Gänse, vom Schießhund gejaget,
Mit Geschrei über die Lüfte sich hebt, und über dem Dorfteich
In das sichre Schilf sich rettet, so drangen die Knaben
Jauchzend aus ihrem dumpfigen Kerker und liefen zum Spielplatz,
Wo mit Jubelgeschrei der elastische Ball in die Luft stieg.
Im zweiten Vers ist dabei „über die“ eine ziemlich grenzwertige dreihebige Senkung:
Mit Ge- / schrei über die / Lüfte sich / hebt, || und / über dem / Dorfteich
X x / X x x x / X x x / X || x / X x x / X x
– Da muss man im Vortrag aber schon einiges aufbieten, um eine glaubwürdige Versbewegung hinzubekommen! Insgesamt aber ein ausführlicher Vergleich von fast schon homerischer Güte?!
Na, jedenfalls geht es nun ans Dichten …
Jetzo war er allein. Er nahm die zaub’rische Feder,
Zog an der Stirne schreckliche Runzeln, verkehrte die Augen,
Und fing an mit tiefen Gedanken auf Reime zu sinnen.
… An dessen Ende schließlich dieser Grabspruch steht:
Hier liegt ein Kater der schönsten Art,
Der Cyper von Fräulein Rosauren zart.
Zu seinen Ehr’n hat dieses gestellt
Der Küster Martin Schinkenfeld.
Uh. Rosaura aber ist’s zufrieden, sie lässt das auf Murners Grabstein anbringen, und dann endet das Epos mit diesen Versen:
Und der neugierige Wand’rer erzählt in fernen Provinzen
Von dem redenden Stein. So steigt der Name des Cypers
Zu den Sternen hinauf und reicht in die fernesten Zeiten.
Ich hatte mich vorzeiten schon gern mit diesem „komischen Epos“ beschäftigt und habe es diesmal wieder getan – wer sich mit dem Hexameter auseinandersetzt und das Ziel hat, ihn selbst zu schreiben, der findet hier viele Anregungen; und wer einfach gerne Hexameter liest, hat sicher auch Freude an der immer noch frischen, findigen Art des Erzählens. Manches ist sicher auch schon etwas fern, aber insgesamt: Ein schöner Text, auch jetzt noch, durchaus wert, dem Vergessen entrissen zu werden. Aber wer weiß? Vielleicht gelingt es ja – man muss wahrscheinlich nur die richtige schicken:
Fama begab sich indes mit ihrer hellen Posaune
– zum Küster, bei Zachariä (ein schöner Vers auch das); und in die Weiten des Internets, hier und heute.