„Waldemar Atterdag“ ist ein nicht ganz so bekannter Erzähltext Theodor Fontanes, geschrieben aber wie seine „großen Balladen“ im Knittel. Der Anfang:
Und Waldemar (König Christophers Sohn),
Im Dome zu Ringstedt nahm er die Kron’,
Nun führt er die Herrschaft mit kluger Hand
Über Dänemark-Meer und Dänemark-Land,
Nie fasst ihn Jähzorn, nie treibt ihn Eil,
„Erst wägen, dann wagen.“ „Eile mit Weil.“
Und ob es zur Tat ihn auch drängen mag,
Auf den andern Tag schiebt er’s: „Atterdag“.
Die Verse wirken schnell, Fontane besetzt viele Senkungen mit zwei unbetonten Silben?! Die für den Knittel kennzeichnende gelegentliche Unklarheit über die Lage der betonten Silben begegnet hier in diesem Vers:
Nie fasst ihn Jähzorn, nie treibt ihn Eil,
Die erste Möglichkeit:
Nie fasst ihn Jähzorn, nie treibt ihn Eil,
Die zweite Möglichkeit:
Nie fasst ihn Jähzorn, nie treibt ihn Eil,
Man kann die Verhälften auch mischen, dann kommen noch zwei Möglichkeiten dazu. Ich lasse es aber bei diesen beiden. Möglich sind sie beide – die erste hält die doppelt besetzten Senkungen bei und fügt sich dadurch gut in den restlichen Text ein; die zweite fällt, in den Halbversen, in ein alternierendes Auf und Ab, was sonst im Text nicht häufig vorkommt, hier aber den Inhalt unterstützt, die ruhige, unaufgeregte Art Waldemars. Jeder wähle, wie es ihm gefällt!
Wie schnell ein solcher Knittel werden kann und wie stark vorwärtsdrängend, zeigt der erste Vers des dritten Abschnitts:
Und ein Jahr und ein Tag, und auf Schloss Helsingör
Und ein Jahr und ein Tag, und auf Schloss Helsingör
x x X / x x X || x x X / x x X
Also: Sehr schnell. (Wobei das, nebenbei angemerkt, ja der Vers ist, der hier im Verserzähler in der „Bewegungsschule“ verhandelt wird; nur dass er im Knittel-Rahmen als Reimvers auftaucht.)
Ich hänge noch den wildbewegten vorletzten Abschnitt an; auch in diesem lohnt es sich sehr, den Bewegungslinien nachzuspüren. Vier Hebungen, immer! – wenn man diesem Grundgedanken folgt, findet man die entsprechenden Linien diesmal eigentlich ohne Anstrengung?!
Und wieder ein Jahr und auf Schloss Wordingborg
In Stille sitzt er und doch in Sorg’,
In Sorg’ um Heilwig. Auf seinem Sinn
Lastet die schöne Königin.
Es heißt, sie sei krank, ohne Schlaf ihre Ruh,
Aber ein Kämmerling flüstert ihm zu:
„Der Königin Krankheit ist Lug, ist Schein,
Sten Sture geht lachend aus und ein,
Er ist noch ein Knabe, noch halb ein Kind,
Das lieben die Frauen, wie Frauen sind.
Auf, Waldemar, stör ihre Lust, ihre List,
Zeige, dass du der König bist,
Überrasche Schön-Heilwig, erforsche sie, frag“
„Es würde sie töten – Atterdag.“