„Die natürliche Tochter“ von Goethe ist ein eigenartiges Stück, in dem die Handelnden in verschiedenen Anordnungen herumstehen und sich in Sprichwörtern unterhalten.
– Das ist Quatsch, selbstredend. aber an manchen Stellen ist es wirklich so, zum Beispiel, wenn der Weltgeistliche anmerkt:
Die Trauer wird durch Trauren immer herber.
Das kann man als Lebensweisheit so stehen lassen. Der Herzog macht das im darauf folgenden Vers aber nicht, sondern stellt dagegen:
Durch Trauren wird die Trauer zum Genuss.
– Und der Leser kann sich aussuchen, welchem Sinnspruch er folgt …
Auch das restliche Gespräch der beiden hat noch einige dieser Sinnspruch-Blankverse zu bieten. Manche nicht ganz so aussagekräftig, zum Beispiel dieser Vers des Weltgeistlichen:
Ein allgemeines Übel ist der Tod.
Da ist der Herzog ihm an Bedeutungsgehalt voraus, wenn er, diesmal immerhin einige Verse von der Anmerkung seines Gesprächspartners entfernt, anmerkt:
Das Wort verwundet leichter, als es heilt.
– Und das ist eine Wahrheit, die sich alle ab und an ins Gedächtnis rufen sollten. Finde ich … Einprägsam genug ausgedrückt hat sie Goethe in ihrer Blankvers-Gestalt jedenfalls – ein Vers, der ein Gedicht sein könnte.