Erzählverse: Der Blankvers (48)

1951, also mit fast 60 Jahren, hat Werner Bergengruen seine zurückblickende „Lombardische Elegie“ geschrieben. Das ist ein langer Text in Blankversen, zwar an manchen Stellen ein wenig umständlich, aber insgesamt auf jeden Fall lesenswert! Es gibt viele starke und schöne Abschnitte, und Bergengruens Blankverse gehen einen ruhigen, stetigen Gang, anziehend und einprägsam. So beschreibt er die Lombardei:

 

Vertraun und Dauer war in diesem Boden,
der die Barbaren litt und überstand.
Als unsre Ebnen noch der Urwald deckte,
noch Dämmerung und Sumpf, war dieses Land
zum Garten längst bestellt, durch Bach und Graben
kunstvoll genetzt. So mancher Wasserlauf
folgt heute noch getreu dem Bette, das
lang vor August, vor Caesar und vor Cato
des Sklaven, des Colonen Hand gezeichnet.
Wer aber weiß, ob nicht zu einer Zeit,
die noch kein Eisen kannte, ob nicht längst
bevor den Remus Romulus erschlug,
Ligurer, Umbrer und Etrusker hier
die ersten Wasseradern durch die Triften
gelenkt? Die Überirdischen vergalten
mit Segen die unendliche Geduld.
Ein jeder Herbst bescherte Wein und Öl.
Der Weizen zitterte im leichten Hauch
sanft schäumend wie ein goldgelocktes Meer,
und alles nutzte, Staude, Strauch und Baum
und Schilf, dem frommen menschlichen Bedürfnis.

 

Bergengruen nimmt keine der Möglichkeiten in Anspruch, die das stetige Auf und Ab des Blankverses auflockern können.  Einem zu einförmigen Eindruck wirken allein die Zeilensprünge entgegen, und man muss immer Satz und Vers zugleich denken – und im Vortrag zugleich erfahrbar machen -, soll der Text nicht zu spannungsarm erscheinen?!

Zu finden ist dieser Auschnitt in Bergengruens Gedichtband „Figur und Schatten“, Nymphenburger Verlagshandlung 1958, auf Seite 198.

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