Erzählverse: Der trochäische Vierheber (33)

Es gibt Gedichte, die kann man heute nicht mehr schreiben; und es ist schade, dass man es nicht mehr kann. Für mich zählen dazu die federleichten, ganz absichtslos wirkenden Texte von Johann Wilhelm Ludwig Gleim, zum Beispiel jene aus „Amor und Psyche“, ein Titel, unter dem Gleim 25 kurze Gedichte in trochäischenVierhebern versammelt hat, einem der für solcherlei Tändeleien gerne und viel gebrauchten Maße. Die Nummer vierzehn daraus liest sich so:

 

Traurig klagend fragte Amor
Einen seiner liebsten Brüder:
Wo entzünd ich meine Fackel
An dem allerreinsten Feuer?

Und indem er fragte, sah er
Seiner Psyche lichte Augen.
Willst du’s leiden, sprach er, Liebe?
Hielt die Fackel sanft an ihre
Lichten Augen, und die Fackel
Brannte sanft, wie Psychens Augen!

 

Da unterstützt das Ungezwungene des Vierhebers sicherlich aufs willkommenste das Nicht-Geschehen! Wobei es noch sparsamer geht – Nummer Neun:

 

Sieh, die Könige der Erde
Sollten keine Kriege führen!

Sagte Psyche zu dem Gotte,
Der die Könige der Erde
Kriege lehret. Möchte Psyche
Doch die Könige der Erde
Liebe lehren!
, sagte Amor.

 

Das wirkt so unglaublich beliebig; ich glaube aber, es ist trotzdem schlau gemacht. Inhaltlich noch einen Schritt weiter ins Aussage-Nichts führt die Nummer Drei, mit der ich den Eintrag schließe; was bliebe danach auch noch zu sagen …

 

Rose, Rose! sagte Psyche,
Du bist schön, wie mein Geliebter!
Bist die Königin der Blumen!
Bist von einem Liebesgotte
So gefärbt!
Von deinem Amor!
Sagte da die schöne Rose.

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