Walter Mönch: Das Sonett. Gestalt und Geschichte.
Der Klassiker unter den deutschsprachigen Büchern zum Sonett, erschienen in Heidelberg, bei Kerle, im Jahr 1955; also kurz nach der letzten großen „Sonett-Welle“ im Deutschen. Mönch unterteilt sein Buch in die Bereiche „Gestalt und Wesen des Sonetts“ und „Geschichte des Sonetts“, wobei er die Sonettistik aller europäischen Sprachen im Blick behält. Ein guter Gesamtüberblick also, der auch heute noch sehr empfehlenswert ist und eigentlich von jedem, der sich ernsthaft mit dem Sonett beschäftigen will, gelesen werden sollte. Der Ton ist angenehm, und auch, wenn man Mönch nicht immer beipflichten wird, liest man seine Ausführungen doch gerne. Ein Beispiel vom Ende des ersten Teils (S.50):
Man möchte im Sonett als einer Gestalt so etwas wie die platonische Idee einer reinen Form suchen: einer reinen, absoluten, von den Zufälligkeiten jedweden Inhalts gelösten Form, die „an sich“ da ist, und die, wenn sie in die Welt der Erscheinungen tritt, in hundert Facetten schillert und sich mannigfaltig rhythmisieren und artikulieren lässt. Die Idee des Sonetts, seine reine Form, gehört gleichsam dem „mundus intelligibilis“ an, jedes einzelne, mit konkretem Inhalt gefüllte Sonett dem „mundus sensibilis“. „Jede Form, sie kommt von oben“, steht über Goethes Sonettenzyklus. Die Form, das platonische Eidos, ist stärker als das irdische Abbild, ist dem Wandel des Zufälligen entzogen: Die Form des Sonetts, mag sie italienisch, französisch, englisch sein – allen dreien liegt eine Urform zugrunde -, bleibt als solche, ob sie von den Dichtern der Renaissance, des Barocks, der Klassik, der Romantik, des Parnass oder Symbolismus benutzt wird; sie bleibt auch, mag das Sonett idyllisch oder satirisch, religiös oder grotesk, philosophisch oder elegisch, impressionistisch oder expressionistisch sein. Das Sonett ist die Idee einer Form schlechthin, unabhängig von Ton, Färbung, Inhalt.