Erzählformen: Die alkäische Strophe (10)

Wie in den bisherigen Einträgen zur alkäischen Strophe schon zu erkennen war, kann das antike Vorbild ganz gut im Deutschen wiedergegeben werden. Aber das allein genügt sicher nicht, um die große Zahl an Texten zu erklären, die in dieser Form verfasst wurden?!

Wichtig ist sicher auch, wer diese Form verwendet hat. Bekannt war die alkäische Strophe in Deutschland eigentlich immer, benutzt hat sie aber kaum jemand; bis Klopstock kam und nicht nur genug Formsinn hatte, die Strophe wirksam im Deutschen nachzubilden, sondern auch als Dichter mehr als genug damit zu sagen wusste! Und aus der Begeisterung über seine alkäischen (und anderen) Oden entstanden dann eigene Werke anderer, die Form aufnehmend; und immer so weiter.

Aber auch Horaz spielt eine Rolle, selbst über 1800 Jahre hinweg – viele seiner Oden benutzen die alkäische Strophe, und da Horaz im 18. Jahrhundert für viele eine wichtige Größe war, ja ein Gegenstand der Verehrung: fiel ein wenig von seinem Ruhm auch der Strophenform zu.

Und auch Horaz hat über 600 Jahre zurückgeschaut – eben zu Alkaios von Lesbos, dem „Erfinder“ der nach ihm benannten Strophe!

Leider ist von dessen Werk nicht allzuviel erhalten, aber das wenige liest sich immer noch sehr gut. Hier eine einzelne Strophe in der Übersetzung von Emanuel Geibel:

 

Daheim als Herold melde: Gerettet ist
Alkäos selbst, doch büsst‘ er die Waffen ein,
Und seinen Schild am Pallastempel
Hängte das Volk von Athen zum Schmuck auf.

 

– Ich weiß nicht, wie brauchbar das als Übersetzung ist, aber als deutsche Strophe gefällt es mir! Eine weitere Strophe, aus den Trinkliedern, wieder von Geibel übersetzt:

 

Nicht frommt’s, des Unheils ewig gedenk zu sein;
Denn völlig fruchtlos zehrt uns der Kummer auf.
Das bleibt der beste Trost, o Bakchos,
Wein zu kredenzen, bis dass wir trunken.

 

So also fing alles an. Und dann ging die Reise bis zu Klopstock, und dann kam Hölderlin; und hat atemberaubende Meisterwerke geschrieben in einer bald 2500 Jahre alten Form. Schon erstaunlich …

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