Erzählformen: Das Reimpaar (14)

Gottfried Keller hat unter dem Titel Panard und Galet – „Französische Poeten des 18. Jahrhunderts“, wie er in einer Fußnote anmerkt – drei Gedichte versammelt, bei denen der Blick auf den Bau lohnt!

Das erste Gedicht schildert die Erlebnisse der beiden an einem Osterwochenende und ist in einer fünfzeiligen Strophe gehalten. Die erste Strophe:

 

Sie kamen von der Tränke,
Sie wankten aus der Schänke
Mit einer Zecherschar,
Als es Karfreitagmorgen
Und grabesstille war.

 

Das erinnert etwas an die vom Verserzähler schon vorgestellte Lindenschmidt-Strophe?! Wie diese auch ist der von Keller verwendete Fünfzeiler eine trickreiche kleine Form, ein beschränkter Raum, in den Keller die Sätze mit sicherer Hand einfügt!

Das zweite Gedicht nutzt dann das Reimpaar, einzeln gesetzt:

 

Auf seinem Bette liegt Galet,
Weglachend seines Todes Weh.

Er schickt Panard den Morgengruß,
Sechs neue Lieder zum Genuss.

„Erst wollt ich reimen, liebes Kind!
So viele, als Apostel sind.

Doch hab ich’s nur auf sechs gebracht,
Weil schon der Totengräber wacht.

Der Totengräber an der Tür
Mit seinem Spaten lauscht herfür.

Der hackt mich mit den andern sechs
Bald unter grünes Grasgewächs.

Leb wohl, mich dünkt, nun muss es sein,
Der beste Reim ist Rhein und Wein!“

 

Das klingt – anders? Mutwilliger, frecher, unbekümmerter, „weglachend“ – sicher auch durch die sorglose Reimbeschaffung …

Im dritten Text beklagt Panard die Lage des Grabes, wie zu erwarten, in weinseligem Ton (die drei Gedichte stehen in Kellers Werken mitten in einer ganzen Gruppe solcher Texte). Eine Beispielstrophe:

 

Es regnet meiner Tränen Fluss
Wie toll zu jeder Stund,
Dass mit der Hand ich decken muss
Das Glas an meinem Mund!

 

– Diesmal also kreuzgereimte Vierzeiler. Aber wieder fließender, ruhiger, als es eben noch die Reimpaare waren.

Daraus muss nicht allzuviel folgen; aber es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie das Reimpaar aus iambischen Vierhebern bei den verschiedenen Verfassern geklungen hat und wofür sie es verwendet haben; und diese Beispiele sind nützlich für jeden, der sich heute am Reimpaar versuchen will. Denn wenn solches Dichten heute noch überzeugen soll, muss dabei auch einiges an Gestaltungswillen erkennbar werden, sonst wirken solche Reimpaare schnell wie „eben mal dahingedichtet“ und werden auch so wahrgenommen und beurteilt …

Etwas zusätzliches Wissen zu Kellers Gedichten kann, wer mag, bei Gert Sautermeister erwerben.

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