Erzählverse: Der Hexameter (84)

Der Hexameter kann alles!

Und weil das so ist, kann er auch: kitschig sein. Sehr sogar … Belegbar ist das etwa an August Gottlob Eberhards „Hannchen und die Küchlein“, zu seiner Zeit ein sehr beliebtes und oft nachgedrucktes Werk. An seinem Anfang erwartet Hannchen, die „Pfarrerswaise“, Antonie, ihre Jugendfreundin, die nach drei Jahren in der Fremde eben heimkehrt; ein Warten aber mit durchaus gemischten Gefühlen, ist doch unklar, wie das höhergestellte „gnädige Fräulein“ inzwischen über den Rangunterschied denkt. Aber alles wird gut:

 

Doch kaum seufzte sie so, da knarrete draußen die Pforte,
Eilet‘ es über den Hof, und nahet‘ es schon sich dem Stübchen.
Auf flog plötzlich die Tür, und: „Hannchen!“ „Antonie!“ tönt es!
Tönte mit steigendem Jubel: „Antonie!“ „Hannchen!“ noch einmal!
Und dann lagen sie Brust an Brust in entzückter Umarmung,
Wechselten zärtliche Wort‘ und Küss‘ und freudige Tränen,
Gleich zwei blühenden Blumen mit traulich verschlungenen Blättern,
Lieblichen Balsamduft zuströmend die eine der andern.

 

Ja. Genau. Und das ist dann schon so übertrieben, dass ich dem Text noch nicht einmal mehr böse sein kann …

Eberhards Hexameter sind, sieht man vom Inhalt ab, aber sicher gebaut und wirksam; will man nur seinem ganz eigenen Tonfall nachspüren, lohnt sich ein Besuch beim „Hannchen“ sicherlich!

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