Nun ist es auch schon wieder bald zehn Jahre her, dass zuerst Berichte über die Verbindung von Hexameter und Herzrhythmus in den Medien auftauchten – und dann immer wieder zu lesen waren. Manchmal in recht zu gespitzter Form wie hier:
Eine ungewöhnliche Form, den Körper wieder in Einklang zu bringen, ist das Rezitieren von Hexametern. Eine Untersuchung mit Bauarbeitern – die häufig in den auf Großbaustellen üblichen Containern mehr schlecht als recht schlafen – hat gezeigt, dass das Rezitieren antiker Verse und das entsprechende Bewegen für einen besseren Schlaf sorgt. 85 Baufirmen wurden bereits dahingehend geschult, das Unfallrisiko auf Großbaustellen konnte um ein Viertel reduziert werden.
So war es anlässlich von Elisabeth Heydecks „Geheimnisse des Schlafs“ auf zdf.de zu lesen. Auch die Uni Bern berichtet, ein Ausschnitt:
Der menschliche Körper organisiert seine Systeme gemäss von Bonin in Rhythmen – wie wir an Atmung und Puls gut wahrnehmen können. Diese beiden Systeme können in unabhängigem Takt funktionieren, sich aber auch angleichen. „Im ruhigen Liegen etwa bildet der Herzrhythmus die Atmung ab“, so von Bonin. Eine Synchronisation der beiden Rhythmen findet nun auch statt, wenn Probanden eine Stunde lang Hexameter-Verse im langsamen Gehen nachsprechen.
Eine Untersuchung mit 20 Testpersonen hat gezeigt, dass sich Atemfrequenz und Blutfluss sowie Blutdruck und Herzschlag während des Experiments synchronisieren. Erstaunlich ist gemäss von Bonin, dass dieser Effekt bei der Kontrollgruppe nicht stattfand, die zwar nicht Hexameter rezitierte, wohl aber im Takt atmete.
– Und so noch an vielen anderen Orten und bis heute, mal ernsthaft-wissenschaftlich aufbereitet, mal heiter aus Freude am Besonderen, mal im Mischmasch – „Sollten Ärzte ihren Herzpatienten jetzt Gedichtbände statt Tablettenpackungen verschreiben?“, fragt zum Beispiel welt.de … Wer mag, kann sich ja einmal auf die Suche machen, es liest sich oft gut und erkenntnisreich!
Oft verwendet wurde bei derartingen Untersuchungen anscheinend der Anfang von Eduard Mörikes „Idylle am Bodensee“; den stelle ich an den Schluss dieses Eintrags. Gegen einen lauten Vortrag spricht auch bei völlig gesundem Herzrhythmus nichts, und es ist, wie immer bei Mörikes Versen, ein Genuss.
Dicht am Gestade des Sees, im Kleefeld, steht ein verlassnes
Kirchlein, unter den Höhn, die, mit Obst und Reben bewachsen,
Halb das benachbarte Kloster und völlig das Dörfchen verstecken,
Jenes gewerbsame, das weitfahrende Schiffe beherbergt.
Uralt ist die Kapelle; durch ihre gebrochenen Fenster
Streichet der Wind und die Distel gedeiht auf der Schwelle des Pförtleins;
Kaum noch hält sich das Dach mit gekrümmtem First, ein willkommner
Schutz vor plötzlichem Regen dem Landmann oder dem Wandrer.