Wie schon in den bisherigen Einträgen zur alkäischen Strophe erwähnt, führte ihr 2500 Jahre langer Weg ins Deutsche von Alkaios über Horaz hin zu Klopstock; und da eine alkäische Strophe von Alkaios in (10) vorgestellt wurde, ist jetzt Horaz an der Reihe! Als Übersetzer bleibe ich bei Emanuel Geibel, der Horaz‘ 31. Ode des ersten Buches unter dem Titel „An Apollo“ so ins Deutsche gebracht hat:
Was fleht zuerst der Sänger im Heiligtum Apolls?
Was heischt er, wenn er den Opferwein
Ihm feiernd ausgießt! Nicht die reiche
Frucht von Sardiniens Segensfluren,
Nicht Herden, wie das heiße Kalabrien
Sie nährt, nicht Gold noch indisches Elfenbein,
Landgüter nicht, an denen spiegelnd
Liris, der schweigende Strom, dahinwallt.
Kalenertrauben keltere froh, für wen
Das Glück sie blühn ließ. Möge der Handelsherr
Aus tiefem Goldkelch Weine schlürfen,
Die er um syrisches Gut erworben,
Der Götter Schützling, weil er im Jahreslauf
Dreimal und viermal glücklich den Ozean
Durchsteuert; mir genügt des Ölzweigs
Beere zum Mahl und die leichte Malve.
Doch gib, o Phöbus, dass ich gesund an Leib
Und Geist genieße, was du beschieden hast,
Und dass ich kein unrühmlich Alter
Leb‘, und die Zither getreu mir bleibe.
Sehr sichere Strophen, die Geibel hier abliefert. Wie gut sie als Übersetzung sind, ist eine andere Frage; aber sie bewegen sich nachdrücklich, das Lesen macht Spaß. Nur bei „Dreimal und viermal“, was ja eben nicht auf der ersten Silbe, wohl aber auf der vierten Silbe betont werden darf, muss man im Vortrag ein wenig hin- und herversuchen? Aber auch das liest sich, betont man es schwebend, ohne Stocken und wirkungsvoll.