Erzählformen: Das Reimpaar (15)

Reimpaare aus iambischen Vierhebern sind jedem vertraut; man schwingt in ihre Bewegung ein, ohne etwas dagegen tun zu können?!

Um so erstaunlicher eigentlich, dass es micht heute so richtig aus der Kurve getragen hat beim gedanklich-lauten Lesen!

Das sind die ersten Verse von Heinrich Christian Boies „Standesmäßig“:

 

Einst reist ich durch ein Städtchen fein.
Ein schöner Morgen. Die Uhr schlug neun.
Das Städtchen fein wollt ich besehn,
Hub an Straß auf Straß ab zu gehn.
Arbeitsam lärmt der ganze Ort,
Es hämmert hier, es klopfet dort,
Der trägt das her, der schleppt das hin:
Wie wohl ward mir dabei zu Sinn!

 

– Eigentlich handelsübliche, ein wenig dröge Vierheber, wie man sie von Boie erwarten kann.  Aber bei …

Hub an Straß auf Straß ab zu gehn.

… wurde mir eine Mischung aus veränderten Schreibgewohnheiten zum Verhängnis!

Was ich lesen wollte, war:

Hub an, Straß(e) auf Straß(e) abzugeh(e)n.

– und diesem Sinn wollte sich die iambische Bewegung so gar nicht fügen. Aber das  meinte Boie ja überhaupt nicht, sondern:

Hub an, straßauf, straßab zu gehn.

– Und dann passt wieder alles. „Wie wohl ward mir dabei zu Sinn“, und wie groß ist doch der Schrecken und wie groß das Unwohlsein, wenn man aus der Bewegung, die durch das Gedicht führt und trägt, gerissen wird; aus welchen Gründen auch immer.

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