Bücher zum Vers (62)

Hans-Jürgen Schlütter: Sonett.

Erschienen 1979 in der „Sammlung Metzler“, ist dieser Band auch schon ein wenig in die Jahre gekommen. Das macht aber nichts; wie so oft bei den Bänden aus der Sammlung Metzler ist auch hier der Inhalt gut und noch längst nicht überholt. Auf 150 Seiten versammeln sich:

I. Theorie des Sonetts, II. Das Sonett als kontroverse Form, III. Europäische Sonettklassik – 1. Die romanischen Literaturen mit Petrarca, Lope de Vega, Camoes, Die Pleiade (von Heinz Willi Wittschier); 2. Shakespeare (von Raimund Borgmeier), IV. Das Sonett in der deutschen Dichtung.

Dabei ist der vierte Abschnitt naturgemäß der umfangreichste! Ich möchte hier aber trotzdem einige Zeilen aus dem ersten Abschnitt vorstellen, die immer wieder aufkommende Frage nach der „inneren Form“ des Sonetts betreffend und zu finden auf den Seiten 9 und 10:

Bei dem Versuch, die dem Sonett eigentümliche Gedankenführung zu bestimmen, ist es zu zwei Modellen gekommen: dem dualistischen und dem dialektischen. Der dualistischen Konzeption gilt die Zweiteiligkeit als das wichtigste innere Gesetz. Diese von Josef Weinheber, Karl Vietor, Walter Mönch u. a. vertretene Annahme versteht die durch eine Wendung markierte Zweigliedrigkeit als gedankliche Entsprechung der Zweiheit Oktave/ Terzett, …

Mit dieser Auffasung konkurriert die dialektische, die eine dreischrittige Gedankenbewegung annimmt. Sie ist bereits von Friedrich Schlegel und neuerdings von Johannes R. Becher und Hugo Friedrich vertreten worden. Friedlich bezeichnet das Sonett – nicht in allen, aber in den meisten Fällen siner Gestaltung – als „lyrischen Syllogismus“,  als „Ausdrucksgebilde auch der subtilsten seelischen Regungen, die es zerteilt, einander entgegensetzt und auf neuer Stufe wieder vereint.“

Dass es typische Gedankenarchitekturen in der Sonettdichtung gibt, kann kaum bestritten werden. Fraglich erscheint aber, ob es so etwas wie die innere Form des Sonetts schechthin, als Entsprechung seiner ‚äußeren‘ Gestalt, gibt. Zu den beiden erwähnten Strukturen, der dualistischen und der dialektischen, tritt jedenfalls noch eine dritte, die monistische, bei der kein Gegensatz, keine Wendung vorliegt. Sie ist seit Petrarca belegt.

– Soweit Schlütter. Wie dieser Abschnitt liest sich das ganze Buch: knapp, aber klar in der Darstellung und ausgewogen im Urteil. Von daher: Auch heute noch lesenswert!

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